Auf dem Sprung zum Ganztagsgymnasium

Von unserer Redakteurin Anahita Ghanavati (09.09.2004 22:19)

Diese Pädagogischen Tage waren nicht zu vergleichen mit ähnlichen Veranstaltungen der letzten Jahre. Am Mittwoch und Donnerstag des 8/9. September 2004 wurden nach längerer Vorbereitungsphase durch eine Arbeitsgruppe Perspektiven und Details der Erweiterung des Goethe-Gymnasiums zu einem Ganztags-Gymnasium ausführlich diskutiert. Als Referenten konnten Stefan Appel, Bundesvorsitzender des Ganztagsschulverbandes in Deutschland, und Frau von Freeden, stellvertretende Schulleiterin des Ganztags-Gymnasiums der Stadt Kerpen, gewonnen werden.

Unser Schulleiter, Herr Gries, Frau von Freeden und Herr Appel (v.l.)

Beide Referenten konnten tatsächlich – was für Referenten nicht immer selbstverständlich ist – nicht nur die pädagogische Zielsetzung und die Vor- und Nachteile der gegenwärtigen Schulentwicklung in Deutschland, sondern auch die organisatorischen und bürokratischen Schwierigkeiten einer Veränderung des Schulstatus (Appel) und den Prozesscharakter in der Realität (von Freeden) einsichtig vermitteln. Die umfangreichen Argumente können wir an dieser Stelle nicht ausführen. Wir wollen uns daher auf ein Kurz-Interview mit Frau von Freeden beschränkt.

Frau Von Freeden im Gespräch mit unserer Redakteurin Anahita Ghanavati

UMLAUF: Frau von Freeden, mal ganz ehrlich, sind sie immer noch davon überzeugt, dass Deutschland durch ein vermehrtes Ganztags-Schulangebot bei den nachfolgenden PISA-Tests besser abschneiden wird?

von Freeden: Ich glaube, dass die Tatsache, mit Schülern zukünftig mehr Zeit in der Schule zu verbringen, nicht ausreicht. Abwechslungsreiche Unterrichtsmethoden, öfters Einrichtung von Doppelstunden, Projektarbeit usw. ist die eine Seite, die andere, dass das Zusammenleben von Schülern und Lehrern weiterentwickelt werden muss. Wenn Lehrer und Lehrerinnen nur hingehen, um Stunden abzuleisten, ändert sich wenig, sondern nur bei gemeinsamen Aktivitäten in guter Atmosphäre verbessert sich die Leistung unserer Schüler.

UMLAUF: Welche Chancen sehen Sie für die Umwandlung des Goethe-Gymnasium zu einer Schule mit Ganztagsgebot?

von Freeden: Ich habe das Gefühl, dass engagierte Lehrerinnen und Lehrer die Absicht haben, mit viel Enthusiasmus die Schule besser und interessanter zu gestalten und sich die Frage stellen, wie Räume und Gebäude so verändert werden können, dass sich alle wohlfühlen, aber auch die Frage überlegen, was realistisch und sofort machbar wäre.

Frau von Freeden

UMLAUF:: Was kommt auf uns Schülerinnen und Schüler zu – im positiven als auch im negativen Sinne?

von Freeden: Normale Schüler erfahren im Unterricht sehr häufig Stress und Langeweile. Lasst uns doch mal gucken, was Schule so alles bieten kann: Lust auf Arbeitsgemeinschaften, mal anders arbeiten, mal andere Formen der schriftlichen Arbeit, mal Projekte usw. Wenn ich Schüler meiner Schule frage, wie die Projektarbeit verlaufen ist, höre ich, dass viel Zeit investiert worden ist, aber auch, dass es viel Spaß gemacht hat. So haben meine Schüler einen englischen Roman von über 200 Seiten geschrieben – freiwillig – und keiner hat gelitten.

UMLAUF: Kritische Stimmen behaupten, dass durch das Ganztagsangebot die Kinder von ihren Eltern entfremdet werden. Haben die Eltern dann überhaupt noch direkten Einfluss auf die Erziehung ihrer Kinder?

von Freeden: Kinder sind selten an jedem Tag vor 14 Uhr zu Hause, danach müssen alle Schüler noch Hausaufgaben machen. In der Ganztagsschule sind sie etwas später auch zu Hause, aber oft ohne Hausaufgaben. Die Hausaufgabenbetreuung führt dazu, dass Hausaufgaben kein häuslicher Streitpunkt mehr sind. Eltern sind nicht mehr der Hilfslehrer, also weniger Stress und Aggression. Außerdem stimmt es doch nicht, dass diese Eltern sich regelmäßig nachmittags z.B. zu einem Spiel mit ihren Kindern zusammensetzen.

Frau von Freeden mit unserem Schulleiter

UMLAUF: Nehmen wir mal an, dass alle Gremien am Goethe-Gymnasium dem Ganztagsschulkonzept zustimmen. Könnten Sie sich vorstellen, dass einige Lehrerinnen und Lehrer einen Versetzungsantrag stellen?

von Freeden: Könnte ich mir vorstellen. Wer der Meinung ist, überwiegend nur lehrerzentrierten Unterricht anbieten zu müssen, ist an einer Ganztagsschule fehl am Platz. Wir haben vor einigen Monaten eine junge Kollegin verabschiedet, die sich nur eine Unterrichtstätigkeit am Vormittag vorstellen konnte. Sie hat gewechselt und ist jetzt zufrieden. Viele Lehrer an unserer Schule und auch ich möchten mehr von Schülern erfahren, möchten mit ihnen quatschen, möchten mit ihnen in Projekten zusammenkommen.

UMLAUF: Wir danken Ihnen, Frau von Freeden!

Unsere Elternvertreterin

Dass die pädagogischen Diskussionen sehr lebhaft verlief, aber auch angenehm und in freundlicher Atmosphäre, wollen wir in der folgenden Bilderstrecke verdeutlichen.