Der Pianist mit dem Gipsverband

Von unserem Redakteur Michael Brehme (02.12.2007)

Wenn man sich seiner Sache sicher ist, verspürt man keine Angst. Klar, eine gewisse Anspannung ist schon da, „vielleicht auch ein bisschen Nervosität, aber eben keine Angst“, erzählt Dimitri Doroschenko aus der Klasse 7d. Locker sei er vor allem gewesen, so kurz vor seinem bisher größten Auftritt im Juli diesen Jahres, beim Sommerkonzert des Goethe-Gymnasiums. Lockerheit gepaart mit einem gesunden Selbstvertrauen und dem Bewusstsein, „das zu können, was ich gleich machen werde.“ Denn Pianisten sind Alleinunterhalter, sie sitzen alleine am Klavier und können nicht untertauchen im Pulk vieler anderer.

Dimitri Doroschenko beim Einüben der Noten.

Fünf bis zehn Minuten habe die Vorstellung gedauert, erzählt Dimitri. So ganz genau könne man das nicht sagen, denn „wenn man da oben auf der Bühne ist und spielt, verliert man das Zeitgefühl“. Dimitri setzte auf schwierige wie anspruchsvolle Stücke, spielte neben „Prelude Nr. 1“ (George Gershwin) auch Johann Sebastian Bachs „Inventio n Nr.4“. Hinterher gab es Lob von allen Seiten. Eine tolle Atmosphäre sei es gewesen, auch bedingt durch die vielen Zuschauer – ganz anders als bei den eher tristen Jugenddarbietungen, „wo dir eigentlich nur die Eltern zugucken“. Auch musikalisch war es ein sehr gelungener Auftritt, der „schönste bisher überhaupt“ in einer Karriere, die inzwischen fünf Jahre alt ist. Viel Zeit aus der Sicht eines Zwölfjährigen, die Musik hat quasi die Hälfte von Dimitris Lebens mitbestimmt.

 

Damals, im Alter von sieben, als ihn seine Mutter das erste Mal zum Klavierspielen animierte, hatte das alles allerdings noch wenig mit der heutigen Professionalität zu tun. Die ersten Versuche seien nichts anderes gewesen als „pures Geklimper“, zumal der Unterstufenschüler aus der 7d auch nicht gerade mit Überzeugung und Optimismus an jene Sache heranging, die fortan ein fester Bestandteil seines Lebens sein sollte. „Ich war davon ausgegangen, das Klavierspielen an sich wäre ziemlich schwer zu erlernen“, sagt er.

 

 
Mit Konzentration bei der Sache  

Dass sich diese Vorahnung für Dimitri nicht bewahrheitete, lässt sich hauptsächlich auf zwei Dinge zurückführen: Intensives Training gepaart mit dem angeborenen Talent, das auch nötig ist, um überhaupt ständig am Ball zu bleiben. Denn ohne Talent kein Spaß und ohne Spaß kein Fortschritt. Ohne Freude an der Sache „hätte das alles sowieso keinen Sinn“, sagt der Zwölfjährige, der aber genau diese verspürt. Auch beim täglichen „ein- bis zweistündigen“ Üben zu Hause, das inzwischen zur Routine geworden ist. Zusätzlich steht einmal pro Woche Klavierunterricht bei einem Kasseler Musiker an. Eine Investition, die sich später auszahlen soll. Dimitri Doroschenko will, „sofern es machbar ist“, das zeitintensive Hobby einmal zum Beruf machen und mit der Musik Geld verdienen.

Ein Ziel, das neben harter Arbeit und starkem Durchsetzungsvermögen auch reichlich Leidensfähigkeit verlangt. Für Zeiten, in denen es mit der Musik mal nicht so gut läuft. Dass Dimitri aber auch davon genug im Petto hat, bewies er in jenem Sommer 2007, einen Tag vor dem freudig erwarteten Konzertauftritt. Im Karateunterricht verletzte er sich am linken Daumen, musste ins Krankenhaus und bekam vom Arzt neben einem Gipsverband auch den Rat, seinen Auftritt abzusagen. Dimitri hielt sich nicht dran. Er trat auf, spielte seinen Part souverän herunter und war hinterher stolz, „hier dabei gewesen sein zu dürfen“. Vielleicht nur der Anfang einer verheißungsvollen Karriere.