Die Frauenbewegung hat viel erreicht

Von unserer Politik-AG (18.03.2006 19:08)

Wir haben eine Aktion zum Frauentag gestartet und Nelken an die Lehrerinnen verteilt. Wir haben ihnen dabei Fragen gestellt zum Thema Emanzipation und auch, warum die Lehrerinnen an unserer Schule mit genau einem Drittel deutlich in der Minderheit sind, so Elena Stamm an unseren Schulleiter Gries zwischen Tür und Angel.

Treffpunkt der Politik-AG jeden Dienstag in der 7. Stunde

Gries Ja, die Tendenz war so, aber diese Zahlen stimmen nicht mehr. Wenn ihr mal genau hinschaut – natürlich kann ich euch das auch mit Zahlen belegen – ist es so , dass es traditionell im beruflichen Bereich fast keine Lehrerinnen, im Grundschulbereich es fast nur Lehrerinnen gibt, und im Gymnasialbereich liegt es irgendwo in der Mitte. Da war eure Wahrnehmung richtig: ein Drittel Frauen, also weibliche Kolleginnen, und zwei Drittel männliche Kollegen. Wenn ihr allerdings im Lehrerzimmer gewesen wärd, hättet ihr gesehen, wie viele Referendarinnen wir haben – neuerdings Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst – und wie viele junge Kolleginnen in den letzen zwei Jahren eingestellt worden sind. Es beginnt sich also etwas zu verändern.

Elena Stamm und Yannick Rudolph im Gespräch mit unserem Schulleiter Gries

Elena: Also wollen sie das auch verändern oder kommt es einfach von selbst?
Herr Gries: Mir ist jede Lehrkraft gleich wert. Es geht darum, ob sie die passende Fächerkombination haben, die ich benötige, ob sie gute oder sehr gute Leistungsnachweise haben. Dann muss ich auch schauen, ob diese vom Fach her in unser Kollegium passen. Ich stelle mich also nicht auf den Marktplatz und rufe alle Lehrerinnen und Lehramtskandidatinnen von Kassel dazu auf, sich hier zu bewerben. Bei mir geht es um Qualität, und ich denke, wir haben sehr gute Lehrerinnen an unserer Schule. Eine gezielte Frauenförderung führe ich nicht durch, aber auch keine gezielte Männerförderung, denn Männer und Frauen sind im öffentlichen Dienst ja gleichberechtigt. Das ist in Bereichen außerhalb des öffentlichen Dienstes häufig nicht so. Ich habe – für mich nicht unerwartet – gestern die Nachricht gelesen, dass in der Wirtschaft Frauen deutlich schlechter bezahlt werden als Männer, obwohl sie in ähnlichen Funktionen tätig sind und dass Frauen in Spitzenpositionen – z.B. als Firmenchefs oder Hochschullehrerinnen – deutlich unterrepräsentiert sind. Im Schulbereich ändert sich das, aber auch da muss man feststellen, dass im Bereich der Gymnasien in Leitungspositionen noch keine Frauen an der Spitze stehen außer am Friedrichs-Gymnasium, wo eine Frau als Schulleiterin im Gespräch ist.

Am Weltfrauentag wurden Nelken überreicht

Elena: Meinen Sie, dass das nur Zufall ist, dass es da nur Männer gibt?
Herr Gries: Nein, das ist kein Zufall. Ich kann euch sagen, ich habe eine 60 Stunden Woche!

Elena: Und das wollen dann die Frauen nicht?
Herr Gries: Das wollen manche Frauen meines Erachtens nicht. Schule ist eine besondere Situation, wo man viele Konflikte aushalten muss. Wenn Umlauf-Online schöne Artikel produziert, wenn unsere Schüler beim Mathewettbewerb gut abschneiden oder wenn die Chemie-AG tolle Leistungen hervorbringt, dann freue ich mich. Andererseits ist es meine Aufgabe als Schulleiter, häufig problematische Dinge zu regeln. In Personalentscheidungen muss ich sehr häufig mit Lehrkräften – männlichen und weiblichen – sehr ernste Gespräche führen. Der Ärger der Eltern kommt direkt bei mir an und manchmal kommen Schüler wütend zu mir. Das ist sehr belastend und ich denke, dass Frauen das häufig nicht wollen. Wir sind eine sehr große Schule mit 103 Lehrkräften – das müsst ihr euch mal vorstellen – 75 hauptamtliche, 15 Referendare, Abordnungen von außen, Praktikanten, also viel Personal. Mein Beruf ist auch die Kommunikation, da sind Frauen auch enorm stark. Aber ich glaube, sie wollen manchmal nicht diese belastenden Situationen. Ich muss oft Dinge nach außen vertreten, die ich persönlich anders entscheiden würde. Schulleitung hat viel mit Verwaltung zu tun, mit harten Entscheidungen, mit Umsetzung von Landespolitik, mit persönlichen Gesprächen, die manchmal richtig konflikthaltig sind. Dann kracht es nämlich hinter verschlossenen Türen und ich denke, dass Frauen das manchmal nicht wollen.

Stand der Frauen am Weltfrauentag in Kassel

Elena: Und warum hat sich das ihrer Meinung nach jetzt geändert?
Herr Gries: Das hat auch mit der Berufswahl zu tun. Erstmal wissen wir, dass die Schülerinnen häufig die besseren Noten mitbringen, die besseren Abschlüsse machen und einen besseren Durchschnitt haben. Außerdem steigt insgesamt die Anzahl der Schülerinnen und Schüler beim Abitur. Zu meiner Schulzeit war das so, dass in einem Jahrgang etwa 20 Mädchen waren. Heute ist der Anteil der Schülerinnen in einem Abiturjahrgang wesentlich höher. Es gab in den 60er Jahren die Redewendung, dass der evangelische Sohn eines Hamburger Senators am ehesten Abitur machen würde und die bayrische, katholische Landwirtstochter die geringste Aussicht auf ein Abitur habe. Es gibt also verschiedene Kriterien, die beim Bildungserfolg eine Rolle spielen, aber das hat sich zum Glück geändert. Ich habe zwei Töchter und bin natürlich sehr daran interessiert, dass sie bestmöglichst ausgebildet werden. Das hat aber mit der Rollenveränderung in der Gesellschaft zu tun, mit der Befreiung der Frau. Die Frauenbewegungen hat in den letzten 30 Jahren viel erreicht, für das ihr gar nicht mehr so intensiv kämpfen müsst. Damals war die Gesellschaft viel verknöcherter, aber da hat sich in unserer Gesellschaft bereits viel verändert. Aber es darf auch keinen Stillstand geben.

Elena: Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Emanzipation der Frau