Die Geschwister Zeitung und Internet

Aus der HNA vom 03.12.2001 (05.12.2001 22:32)

Die Goetheschule feierte fünfjähriges Bestehen des Internet-Auftritts ihrer Schülerzeitung Umlauf mit einem hochkarätig besetzten Podium und einer Diskussion zum Internet. Kassel – Der Stolz auf die Leistung und auf die Meriten der Schülerzeitung Umlauf sowie ihres Internet-Ablegers UMLAUF Online ist verständlich, so dass die Lobeshymnen am Freitag vor Beginn der Podiumsdiskussion in der Goetheschule ruhig etwas länger ausfallen durften. Legitim auch der Lokalpatriotismus bei der Präsentation der Diskussionsrunde durch Umlauf-Redaktionsleiter Ulrich Eichler: Kamen doch viele der versammelten Medien-Experten nicht nur aus Kassel, sondern waren zudem auch noch ehemalige Goetheschüler.

Die Diskussionsrunde

Für die zahlreich anwesenden Schüler kurz vor dem Sprung in die berufliche Lebensplanung dürften die ausgiebig beleuchteten Lebensläufe der erfolgreichen Medien-Macher interessant und und von Nutzen gewesen sein. Journalistinnen wie Susanne Scheerer, Politikredakteurin bei FAZ-Net und Silke Müller, stellvertretende Chefredakteurin des Kunstmagazins Art, haben ihre Karrieren als Volontärinnen bei der HNA begonnen. Schaut ihn Euch genau an, der Mann könnte für Euch wichtig sein, präsentierte Eichler schließlich HNA-Chefredakteur Wolfgang Timpe.

Spannende Lebensläufe nicht nur für Schülerzeitungsredakteure hatten auch Uli Geiger, Redaktionsleiter der Compass-Sendung beim Hessischen Rundfunk, SFB-Wissenschaftsredakteur Winfried Göpfert, Dr. Alexander Jehn vom Hessischen Kultusministerium, Wirtschaftsstudent und Initiator von Umlauf-Online Andreas Marx sowie der Leiter des Kasseler Medienzentrums, Bernd Rahmann, zu bieten. Liebesbriefe via Internet? Und die Diskussion zum Thema Internet – ein seriöses Informationsmedium der Zukunft?, die eine Stunde nach Veranstaltungsbeginn endlich losging? Die gestaltete sich, dem Medium Internet in gewisser Weise angepasst, vielschichtig und weit ausholend.

Nach einem Frage-und-Antwort-Spiel, bei dem Ernstes und Erheiterndes durcheinander purzelten – von der per Internet bestellten Pizza, die bis heute nicht angekommen ist, über die Frage, ob Liebesbriefe gemailt werden dürfen, bis hin zu den unerschöpflichen Möglichkeiten, den Wissensspeicher Internet zu nutzen – kam eine Diskussion erst gegen Ende auf. Sie entwickelte sich im Wesentlichen an der Frage, ob journalistische Arbeit fürs Internet eine andere ist als die für traditionelle Medien. Online-Journalismus ist ganz anders als Print-Journalismus, meinte Winfried Göpfert: Jede Information muss portioniert werden. Online-Journalismus ist nicht anders als anderer Journalismus, konterte Timpe und spielte damit – auf das Thema des Abends Bezug nehmend – auf die Frage nach der Seriosität des Mediums an. Auch ein Online-Redakteur, so Wolfgang Timpe, müsse das journalistische Handwerk beherrschen. Angst vor der Konkurrenz Internet habe er als Zeitungsmacher nicht: Die Medien Zeitung und Internet sind Geschwister, sie bekämpfen sich nicht, wehrte er die Frage Eichlers danach ab, ob der Internet-Journalismus nicht kannibalistisch mit den Printmedien umgehe.

FAZ-Online-Redakteurin Scheerer unterstrich dagegen die Multimedialität von Internet, Möglichkeiten wie Audios oder Chatrooms für Leser, über die eine Zeitung nicht verfüge. Online habe den Vorteil der Schnelligkeit, der Möglichkeit, ständig aktualisieren zu können. Als Internet-Skeptiker outete sich Alexander Jehn und erntete damit spontanen Beifall, der deutlich aus den Reihen der älteren Zuhörern kam.

Jehn zitierte Rudolf Augstein, Die Zahl derjenigen, die durch zu viel Informationen nicht informiert sind, wächst. In Bezug auf Schule könne das Internet keinesfalls die vermittlungsfähige Lehrkraft ersetzen. Uli Geiger appelliert daran, nicht zu polarisieren. Erfahrungsgemäß verdränge ein neues Medium nicht, sondern ergänze die vorhandenen Medien. (chr)