Die Musterung – das vorenthaltene Vergnügen

(30.11.2001 17:48)

Mädchen werden biologisch zur Frau, wenn sie das erste Mal ihre Tage kriegen. Doch was macht aus Jungen richtige Männer? Die Armee natürlich. Demnach ist ein erster Schritt zur Mannwerdung die Musterung.

Die richtige Technik ist lebensrettend
Foto: Nadja Fares

Wie wichtig dieses Ereignis im Leben eines Mannes ist, lässt sich daran feststellen, dass die männlichen Schüler der Jahrgangsstufe 13 schon Wochen, gar Monate vorher scheinbar kein anderes Thema mehr finden, über das sie reden könnten. Ein weiterer Beweis für die von Frauen vielbeschworene Einfachheit der Männer. In diesem Fall können die jungen Männer sogar länger reden als Frauen. Zeigt sich jedoch bei Frauen noch eine gewisse Themenvielfalt, so reden Männer eben nur über dieses eine Thema.
Sie reden also stundenlang über Musterung. Unaufhörlich. Immer wieder tauchen dieselben oder ähnlichen Fragen auf wie zum Beispiel: „Werde ich mit Katzenhaarallergie ausgemustert?“ oder „Muss ich mir wirklich DAHIN fassen lassen?“.

Wenn der Tag der Musterung da ist, sind sie alle ganz still. Man(n) geht hinein in das Gebäude der Ludwig-Mohn-Straße 41 , sagt seinen Namen und schon lernt der angehende Mann wie wichtig es ist, die Klappe zu halten. Mit einem Schwall von Worten wird ihm erklärt, was heute noch auf ihn zukommen wird: Personalienerfassung, Laboruntersuchung (das mit der Urinprobe), die Untersuchung an sich (das mit dem „Befummeln“) undsoweiter.

Die Hindernisbahn muss genommen werden
Foto: Nadja Fares

Erste Station: Personalienerfassung. Auch hier lernt der Mann bzw. der Junge, der einer werden möchte, eine Lektion, die einen typischen Mann ausmacht: „Antworte knapp und wortkarg, jedes überflüssige Wort wirst du noch bitter bereuen“. Mann überreicht dem (un)freundlichen Beamten den Personalausweis, dann die Schulbescheinigung und den Führerschein, gibt ein paar Autogramme und zum Schluss wird noch der Antrag auf Verweigerung gestellt. Nur dabei sagt Mann etwas, ansonsten ist Mann brav ruhig. Wir wenden also das Wissen aus Lektion 1 an. Ebenso dieses Wissen anwendend, begibt Mann sich zurück in das Wartezimmer.

Nach kurzer Ruhephase folgt nun Station 2, der berüchtigste Teil der Musterung. Der Eingriff und die Privat- und Intimsphäre. Lektion für den werdenden Mann: „So etwas hat ein Mann nicht“. Zunächst kommt die Laboruntersuchung. Noch eher harmlos durch die simple Abgabe von ärztlichen Belegen, Messen der Körpermasse und -größe, Abgabe der Urinprobe und fertig. Das wirklich schlimme kommt ja erst noch. Die eigentliche Untersuchung. Besonders interessant ist die Art und Weise, wie Mann nach seiner Krankengeschichte befragt wird. „Hatten Sie jemals Pocken, Röteln, Masern, Mumps, Ohrenleiden, Zahnschmerzen…“ Wieder eine Übungsmöglichkeit für das Erlernte aus Lektion 2. Bei zu langen Antworten verpasst man die nächsten Fragen und dann ist man auf dem Papier gesünder als im richtigen Leben und damit auch tauglicher als man sein will. Dann ein Hörtest. Ebenso wie der darauf folgende Sehtest verläuft dieser schneller und ungenauer als beim Fachmann. Nun Puls und Blutdruck messen: in Ruhe, nach Anstrengung, nach Ruhephase.

Geschlafen wird hier nicht
Foto: Nadja Fares

Dann kommt der große Moment, an dem sich alles entscheidet. Hier wird über die Zukunft entschieden. Jetzt klären sich die Fronten zwischen Unterwürfigen und Revoluzzern. Letztere verweigern die „Genital-und Analuntersuchung“ und erhalten ein wenig Intimsphäre zurück, ernteten dafür aber einen leicht rüden Umgangston. Damit wäre auch die Untersuchungsphase beendet.

Als Kriegsdienstverweigerungsantragssteller, so wie ich einer bin, ist man am Ende angelangt. Es folgt noch ein abschließendes Gespräch, die Zahlung der Fahrtkosten und schon hat Mann die Musterung hinter sich. Wie es aber weiterginge, wenn man nicht verweigert, das schildere ich das nächste Mal.