Null Toleranz?

Von unserer Mitarbeiterin Eldina Haskic (02.12.2005 22:22)

Es war ein ganz normaler Dienstag, in unserem Unterricht schauten wir uns einen Film an. Der Film an sich war ganz interessant, doch dann, bei einer freizügigen Szene, schaute ich, ohne mir etwas dabei zu denken, einfach weg. Unser Lehrer bemerkte dies und sprach mich daraufhin an. Er wollte wissen, ob dies mit meiner Religion, dem Islam, zusammenhinge. Somit kam es dazu, dass ich an dieser Stelle versuche zu erklären, wie ich mich als Moslem in der doch sehr freizügigen deutschen Gesellschaft fühle.

Offene Sexualität in der Kunst gegenüber…

Erst einmal möchte ich deutlich machen, dass wir Moslems nicht außerhalb der Zivilisation leben. Unsere Religion an sich steht für große Toleranz. Auch Liebesbeziehungen verlaufen ganz normal; dies gehört nun mal zur Natur des Menschen. Aber ich finde, dass meine Reaktion eng mit meiner Erziehung und auch mit meiner persönlichen Einstellung zu diesem Thema verbunden ist. In meinen Augen finde ich es zum Beispiel problematisch, wenn ich einen Fernsehfilm mit meinen Eltern anschaue und es zu einer intimen Kuss-Szene kommt. Ich kann dann nicht weiter zuschauen. In einen solchen Moment schalte ich dann oft um oder verlasse den Raum.

…religiöser Zurückhaltung

Mit Freundinnen ist dies anders. Da können wir uns den Liebesakt von Achilis und der heiligen Jungfrau im Film Troja auch wiederholt ansehen. Es hängt also damit zusammen, in welcher Umgebung ich mich gerade befinde. Sich in der Klasse, mit dem Lehrer und den Jungs, so eine Szene anzuschauen fände ich einfach nur peinlich, und auch Scham würde ich empfinden.
Was mich ebenso zunehmend irritiert sind die Werbeinhalte auf den Straßen oder in Zeitschriften, die in der heutigen Zeit immer freizügiger werden. An normalen Tagen achte ich nicht so sehr darauf, doch in der Fastenzeit (Ramadan) finde ich dies ziemlich provokativ. Nicht nur muslimische Gläubige werden in Versuchung geführt bzw. in ihrer Hingabe zu Allah abgelenkt, sondern auch christliche, jüdische und andere Religionen sind bestimmt davon betroffen.

Offene Sexualität in der Werbung gegenüber…

Ich lebe nun mal in einem Land, das für vieles offen ist, wo Sex vor der Ehe toleriert wird und wo es offensichtlich zur Normalität gehört, dass Kinder Kinder kriegen. Ich finde, es gehört dazu, sich den Sitten und Gebräuchen der neuen Heimat anzunähern, aber ich möchte mich nicht selbst verlieren, nicht meine Selbstachtung und vorallem auch nicht meine Religion.
Ich bin glücklich, eine Muslimin zu sein (EL HAMDU LILLAH) und ich schätze meine Mitmenschen sehr. Ich komme mit ihnen gut zurecht, und bin dennoch mit meiner Einstellung sehr glücklich. Keiner von uns ist fehlerfrei, aber aus Fehlern sollte man auch lernen können. Meine Religion lehrt mich, dass Freude und Glück auch ohne Alkohol und Drogen erreichbar sind und dass eine junge Frau das wertvollste, was sie an sich hat, nicht einfach weggeben sollte.

…altersgemäßer Zurückhaltung

Ich möchte noch anfügen, dass ein Moslem, der seine Religion, den Islam, auf wahrer Grundlage praktiziert, seine Frau nicht unterdrückt. Sie gilt als etwas sehr wertvolles und ihr Kopftuch ist für sie ein Schmückstück. Ich vergleiche es mit einer Muschel. Man weiß nicht, was sich darin verbirgt, doch einigen Personen steht es frei, die Perle darin zu sehen. Ein Mann, der dagegen seine Frau verachtet und misshandelt, ist in meinen Augen kein Moslem, er kann kein normaler Mensch sein, denn auch ein Hayvan (Tier) steht in diesem Fall für mehr Menschlichkeit.