Von unserem Chemie- und Sozialkundelehrer H.J. Prauß (Tekno Now)
Das mangelnde Interesse vieler Schüler und Schülerinnen der Jahrgangsstufen 9 und 10 aus Kassel, Baunatal, Hofgeismar und anderen nordhessischen Schulen, die durch diese Veranstaltung dem Schulalltag entfliehen konnten, darf nicht als Maßstab genommen werden. Als Initialzündung wirkte die an der Goetheschule durchgeführte TEKNO NOW – Veranstaltung schon, gut besucht waren die Projekte auch. Die Trendwende in Richtung Wissenschaftsorientierung soll eingeleitet werden, auch wenn mancher Philologe aufstöhnt.
Denn was nützen die elegantesten Tangovorstellungen der Tanz-AG, die glücklichsten Händchen des Börsenspiel-Teams, die dicksten Muskeln der schulischen Ruderknechte, wenn die eigentliche Grundlage unserer Konsumgesellschaft, die industrielle Produktionssphäre geistig austrocknet und sogar durch den Import von technischer Intelligenz nicht mehr kompensiert werden kann – zumal die Greencard sich als Flop herausgestellt hat. Wer will auch schon als Nichteuropäer in das Land der Dichter, Denker und Schläger.
Natürlich besitzen die angeführten Kurse ihren Stellenwert im Schulcurriculum, schließlich hat die geistige Leistungsfähigkeit ihren Ausgangspunkt in einem gesunden Körper, aber der Stellenwert naturwissenschaftlicher und technischer Inhalte und Interessen hat seit den 80-er Jahren beängstigend abgenommen. Die alte Tatsache, dass Deutschland außer Kohle und Salz nur wenige Rohstoffe besitzt, unser Reichtum daher traditionsgemäß das Tüfftler-, Technik- und Wissenschaftspotenzial ist, gerät allmählich in Vergessenheit. Die Abstimmung mit Füßen in Richtung Biologiekurse als kleinster gemeinsamer Nenner seitens der Oberstufenschüler spricht – nicht nur an den nordhessischen Schulen – eine klare, nicht eben wissenschaftsfreundliche Sprache.
Über diese Entwicklung beständig zu klagen entspricht dem Rappeln mit tibetanischen Gebetsmühlen. Erst jetzt besinnt sich die Industrie, dass die „menschenleeren“ Fabrikhallen zwar mit Robotern gefüllt werden können, diese aber bei jeder Produktionsumstellung neu eingerichtet werden müssen, jetzt klagen die Hochschulen, dass technische Innovationen durch diplomierte Hochschulabsolventen und nicht durch Industriespione erfolge, jetzt erkennen die Kommunen allmählich, dass die jährliche Organisation der diversen Love Parades nur den Drogendealern Profite bringt und jetzt fragen sich zunehmend die Erziehungsberechtigten, ob nicht das ausufernde Konsumverlangen nach Diddelblocks, Pokemonkarten, Handies und Playstations das neugierig-forschende Weltbild der Kinder schon im Keim verkrüppelt oder erstickt.
Von diesen Überlegungen ausgehend ist der TEKNO NOW-Tag zu begrüßen. Allerdings bleibe ich skeptisch. Jede Spinne fängt mit einem Ende des Fadens an und hat den Konstruktionsplan festverankert im Kopf. TEKNO NOW ist der Beginn des Fadens. Ich befürchte aber, dass sich Wirtschaft und Politik in einem Geflecht gegensätzlicher Interessen verwickeln werden, weil keine umfassende Analyse und kein vernetzter, tragfähiger Plan vorliegt.