Wir sind Landessieger!

von unserer Lehrerin Katrin Salehin-Kreh (24.05.2010)

19.05.2010. Morgens halb zehn in Eiterfeld bei Fulda. Ich betrete gerade den schön ausgestatteten Musikraum, in dem sich langsam alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mitsamt Begleitungen versammeln, um ein zweites Frühstück einzunehmen. Am letzten Tisch sehe ich schon Tim Becker, Klasse 6c, in Begleitung seiner Eltern und seines Freundes Jan. Tim spielt mit seinem iPod. Nach eigener Aussage ist er sehr nervös, was mich nicht recht überzeugt.

 

 Landessieger ihrer Klassen: Lucas Ebert (Gruppe A) und Tim Becker (B)

 

Argwöhnisch beäugen wir die umstehenden Tische, schließlich sitzt dort die Konkurrenz, die wie Tim heute hessischer Landessieger im Vorlesen werden möchte. Wer von ihnen wird wohl den Wettbewerb als Gewinner verlassen? Unscheinbar sehen sie aus, denke ich mir, immerhin haben sie ja alle schon ein paar Runden des diesjährigen Vorlesewettbewerbs gewonnen, der wie jedes Jahr vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels veranstaltet wird: Alle sind sie schon Klassen-, Schul-, Stadt-/ bzw. Kreis- und Bezirkssieger im Vorlesen geworden.

 

Um Punkt zehn beginnt die eigentliche Veranstaltung. Der Zeitplan ist straff. Nach ein paar einleitenden Worten durch den stellvertretenden Schulleiter und den organisierenden Lehrer betritt die siebenköpfige Jury den Raum. Sie wird nachher bewerten, wie die Teilnehmer sich geschlagen haben, und zwei Sieger bestimmen. Wichtige Bewertungskriterien sind eine deutliche Aussprache, sinngemäße Betonung besonders bei wörtlicher Rede und ein angemessenes Lesetempo. Entscheidend aber ist, inwieweit es dem Kind gelingt, seine Zuhörer für das Gelesene zu begeistern.

 

 
 Ein Teil der Jury lauscht gespannt  

Die insgesamt vier Schülerinnen und Schüler der Gruppe A (Hauptschulen) beginnen den Wettbewerb. Souverän tragen sie ihre vorbereiteten Textstellen vor – ich bin beeindruckt. Ein paar Mal ertönt eine kleine Klingel, das Zeichen, dass das Zeitlimit von vier Minuten überschritten wurde. Jetzt beginnt der Wettbewerb für Gruppe B (Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen) und Tim wird als erster lesen. Ich merke schon, wie die Hände seiner Mutter sich um den Stoff-Glückshasen verkrampfen und ich bin jetzt auch aufgeregt. Als Tim fertig ist, muss ich einmal tief durchatmen, offensichtlich hatte ich die Luft angehalten. Ich wusste ja, dass Tim ein begabter Vorleser ist, aber so professionell habe ich ihn noch nie erlebt: Kein Vergleich zu der Generalprobe, die er mir vor zwei Tagen vorgelegt hat. In meinem Herzen ist Tim bereits der Gewinner!

 

Wenn da nicht die Konkurrenz wäre, die bekanntlich auch nicht schläft… Sie ist sogar so gut, dass nach der ersten Runde doch alles wieder offen ist und die Kinder und wir nur umso aufgeregter sind. Zum Glück haben die Organisatoren des Wettbewerbs einen ganz besonderen Überraschungsgast: Paul Maar, Erfinder des Sams und Autor beliebter Kinderbücher wie „Lippels Traum“, unterhält die Kandidaten und ihre Gäste mit spontanen Zeichnungen und einer Leseprobe aus seinem neuen Buch, während die Jury sich berät.

 

 
Die Sieger und der Kinderbuchautor Paul Maar  

Jetzt geht es in die zweite, alles entscheidende Runde. Alle Kandidaten müssen eine ihnen unbekannte Passage aus „Onkel Alwin und das Sams“ vortragen. Dieses Mal liest Tim zuletzt. Seine Konkurrentinnen schlagen sich einwandfrei, eine liest sogar so gut, dass ich fest davon überzeugt bin, man könne es nicht besser machen. Tim kann. Und gewinnt verdient.

 

Tim ist Landessieger! Endlich kann sich Tims Mutter entspannen – bis zum 17. Juni, denn dann erwartet Tim das Bundesfinale in Frankfurt am Main. Ob er sich auch dort gegen die 15 anderen Landessieger wird durchsetzen können? In meinem Herzen ganz sicher! Am Goethe-Gymnasium drücken ihm dann jedenfalls alle ganz fest die Daumen!