Back to the roots

(10.03.2001 16:29)

Am Ende seines Auftritts streckte Zlatko routiniert seinen Arm in die Höhe, so wie er es schon tausendmal gemacht hatte, wie damals als er das „Big-Brother-Haus in Hürth verließ. Damals jubelten ihm fünftausend Menschen zu und riefen seinen Namen.

Blödelbarden unter sich: Big-Brother-Star Zlatko und Modeavantgardist Mosshammer

Am Abend des Grand Prix jubelte niemand mehr, sie buhten.
Seit dem letzten Aufeinandertreffen der Gesangselite Deutschlands bei der Vorausscheidung zum Eurovisions-Song-Contest sind wir um zwei Antworten reicher, deren Fragen uns eigentlich nie interessiert haben:
Erstens: Zlatko Trpkovski, bekannt durch „Big Brother“ und einer Single in den Charts, kann nicht singen.
Zweitens: Rudolph Mooshammer, Münchner Modezar und bekannt durch… eigentlich nichts, kann auch nicht singen. Der Rest war, wie in letzter Zeit häufiger bei dieser Veranstaltung, ein Haufen bunt gemischter Talent- und Musikexperimente.
Gewonnen hat Michelle, ein altbackener Schlagerstar, die sich mit dem nichts aussagenden Titel „Wer Liebe lebt“ produzierte.

Siegerin Michele – Hat sie eine Chance in Stockholm ?

Getan wurde nicht viel für eine ernsthafte Chance beim Finale in Stockholm, aber immerhin hatte sie 36,6 Prozent der Stimmen bekommen. Obwohl dies der wohl knappste Sieg seit langem ist, hat sie ihn wahrscheinlich trotzdem verdient, weil sie wenigstens ein Kriterium, dass scheinbar für eine solche Veranstaltung nicht mehr unbedingt von Nöten ist, erfüllt hat: Sie konnte singen.
Die wirklich interessante Frage wäre aber, warum sich neun Millionen Zuschauer dieses Spektakel freiwillig angeschaut haben. Wie auch der Blick auf die Marktanteile zeigt, wurden die alteingesessenen Schlagerfans, in den letzten beiden Jahren voller Horn und Spottlieder des Herren Raab, erfolgreich vertrieben.
Zurück blieb eine Gruppe, die sich sicherlich darauf freute, Zlatko und Mosshammer zu sehen. Es schien, als sei es ein besonderes Vergnügen, Leuten, die keinerlei Ausstrahlung, Talent oder Stimme besitzen, zuzujubeln. Was sie allerdings zugemutet bekamen, schien alle ihre Erwartungen zu übertreffen.
Sie wollte dilettantische schräge Chaoten, und sie bekamen sie auch. Plötzlich wurde ihnen klar, dass diese, im Programm der ARD mutig als Sänger bezeichneten Selbstdarsteller, die wegen ihrer „Ich bin einer von euch“-Masche geliebt wurden, auch genauso wie jeder durchschnittliche Bundesbürger sangen. Panik und Protestwähler waren die Folge. Jeder, der einen Ton halten konnte und ihn mit ein bisschen Glück auch auf einem Notenblatt erkennen würde, wurde auf die höheren Plätze katapultiert.
Vielleicht, war dieser Abend eine Lehre. Vielleicht war er auch einfach nur langweilig und überflüssig, aber in einer Zeit, in der man sich lautstark den Moik zurückwünscht, hält man auch Michelle im Vergleich zu Zlatko für eine würdige Vertreterin Deutschlands.