Besuch der alten Dame II

Von unserer Redakteurin Anahita Ghanavati (12.05.2005 17:32)

Das Publikum des Theaterstückes „Alfreds Erben – Der Besuch der alten Dame II“ erlebte ein philosophisches Spektakel in der Aula des Goethe-Gymnasiums. Der Kurs „Darstellendes Spiel“ der Jahrgangsstufe 12 spielte am 29. April, am 2. und 3. Mai 2005 jeweils die Fortsetzung der Tragiekomödie „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt. Sowohl Regie als auch Text wurden von dem Spielleiter Herr Lück zusammengestellt. „Das Original ist stark philosophisch angelegt und daher für Schüler der Jahrgangsstufe 12 relativ schwer. So habe ich mir diese Fortsetzung überlegt, die leichter zu verstehen und besser für den gesamten Kurs umzusetzen ist.“

Das Original handelt von den Bewohnern des Dorfes Güllen, die die Zukunft ihrer Gemeinde in die Hände der reichen Claire Zachanassian legen. Claire ist bereit, das Dorf mit einer großen Spende finanziell zu unterstützen, aber nur unter einer Bedingung: die alte Jugendliebe von Claire, Alfred Ill, der ihr Leben zerstört habe, muss sterben. Obwohl die Bewohner dieses unmenschliche Angebot anfangs ablehnen, unterliegen sie letztendlich den Verlockung des Geldes und gehen auf den Deal ein.
Die gespielte Fortsetzung der Komödie knüpft an die Zeit nach dem Tode von Alfred an. Die Gruppe Darstellendes Spiel der Jg.-Stufe 12 hat es geschafft, den Umgang von Menschen mit ihrem Gewissen und ihrer Schuld spielerisch umzusetzen. Im Vordergrund steht die Frage, wieweit Menschen für materiellen Reichtum gehen können und wie rational sie als Täter reagieren, denn die einzigen, die ihre Schuld zugeben, sind die Irren und die Betrunkenen des Dorfes Güllen.

Trotz der sparsamen Utensilien haben Herr Lück und sein Kurs es geschafft, das Publikum anzuregen und es mit versteckten Zeichen zum Nachdenken zu verleiten. So steht symbolisch für die Schuld ein gelbes Band, welches fast allen Darstellern durch ein personalisiertes Gewissen, gespielt von Lazar Backovic, um den Arm gebunden wird.
Doch dieses Stück bietet auch einen ausgeprägten Unterhaltungswert, der immer wieder die ernsten Phasen unterbrach. „Solche ironischen Szenen wurden eingesetzt, um den künstlerischen Aspekt aufzulockern“, erklärt Spielleiter Herr Lück. Doch von vielen wurde dieser Punkt kritisch gesehen. So meint zum Beispiel Herr Gries: „Es ist schwer zu sagen, ob man wirklich die entsprechenden Gegenfiguren darstellen sollte – wie zum Beispiel Sven-Guido -, denn so entsteht durch Ironie ein Bruch. Damit wird aber die künstlerische Leistung der Darsteller nicht in Frage gestellt. Sonst war ich von dem Stück begeistert.“

Zu packenden, ernsten und zum Teil auch beängstigenden Szenen kommt es, wenn die alte Frau, Alfreds Schwester, gespielt von Beate Schesny, die Bühne betritt. Diese Stimmung spiegelt sich besonders in der Klaviermusik von Katja Sokolova wieder. Frau Burzig, Physiklehrerin, hat diese Absicht des Stückes erkannt. „Ich hatte bemerkt, dass immer dann, wenn die Klavierstimme einsetzte, zwischen den einzelnen Szenen nicht applaudiert wurde.
Äußerst orginell war das Bühnenbild: die Darstellung eines Waldes durch Standbilder aus menschlichen Figuren, verschiebare Wände und auf unterschiedliche Weise aufgestellte Kisten, die – trotz der wenigen Gegenstände – für ein strukturiertes Bild sorgten. Die weit oben gelegene Tribüne wurde von Claire und Alfred besetzt. Durch Standbilder und einer vorgespielten Dia-Show wurden beide in das Stück gut eingebunden. „Es ist wirklich eine gelungene Idee, Alfred und Claire oberhalb der Bühne zu platzieren, denn so schweben sie über dem ganzen Geschehen. Zudem empfinde ich es als äußerst positiv, dass Schauspieler auch mitten im Publikum aufgetreten sind“, meinte Herr Gries abschließend.

Das Ende des Stückes erfolgte äußerst plötzlich und lässt den Zuschauer völlig allein, möchte ihn zum Nachdenken anregen. „Die Menschen lernen nicht dazu“, bringt es Herr Lück auf den Punkt. Denn trotz aller Vorwürfe gestehen sich die Bewohner von Güllen noch immer keine Schuld ein. Und genau diese Botschaft hat das Stück dem Zuschauer nahegebracht mit der Zielsetzung, die Grenzen materieller Verlockungen und die Schuldfrage im Gedächtnis zu behalten und immer wieder zu hinterfragen.

Sarah Petri spielte die Hausfrau des Pfarrers von Güllen

Und abschließend noch ein Kommentar einer Mitspielerin, Sarah Petri:
„Trotz unserer großen Gruppengröße, die sich in den Vorbereitungen als problematisch herausstellte, können wir mit dem Ergenbis mehr als zufrieden sein. Die Aufführungen sind ohne größere Fehler gut gelungen und es gab sehr positive Rückmeldungen aus allen Altersklassen“.