Container-Pflanzen vom Aussterben bedroht?

(27.02.2001 16:53)

Schlechte Zeiten für die Akteure der Realitysoaps im deutschen Fernsehen. Am TV-Himmel ziehen dunkle Wolken auf. Alles, was Zlatko, Jürgen, Sabrina, Alex und wie sie alle hießen, unter der Hingabe ihrer Würde, ihrer Selbstachtung für die Produzenten erkämpften, all das ist umsonst gewesen. Reality-TV hat den großen Fehler begangen, den eine Fernsehsendung nie begehen darf: Langweilig werden!

Mit „Ablegern“ von Big Brother hat RTL dank der Übersättigung der Zuschauer das Ende der Reality Soaps eingeläutet

Vor über einem Jahr entbrannten die ersten Diskussionen um das Verbot von BigBrother, die Gefährdung der Moral im Fernsehen, die Sensationsgier der Fernsehkonsumenten. Politiker, Ärzte, Psychologen, Journalisten und selbst ernannte Experten, sie alle machten Sturm auf den kleinen, hilflosen Produzenten aus dem Land des Käses und der Tulpen. Aber keiner von ihnen konnte verhindern, dass das „Experiment Container“ begann und seinen Lauf nahm, und die Fernseh-Nation Deutschland war fasziniert von dem, was sie aus dem Container sah. Ganze Familien lauschten erregt Zlatkos Ausführungen über Shakespeare, Teenies kreischten für John, Jürgen und Alex, Männer beobachteten den Einzug Sabrinas in den Container. Das Experiment war gelungen.
Jetzt schossen die Reality-Shows wie Pilze aus dem Boden. Dem großen Vorbild BigBrother folgten das Inselduell, Expedition Robinson, House of Love und Girlscamp. Jedoch keine dieser Shows reichte auch nur im geringsten an BigBrother heran, und die Produzenten legten nach.

Girlscamp, nur eines der unzähligen Formate, die vom unglaublichen Erfolg von Big Brother profitieren wollen

Ein halbes Jahr später startete die zweite Staffel mit Großfamilienvater Harry, dem Küken Ebru und Jörg, der nicht weiß, auf wen oder auf was er nun endgültig steht. Bereits jetzt zeigten sich die ersten Verschleißerscheinungen einer Fernsehshow: Die Einschaltquoten sanken. Die Sendung hielt dennoch durch. Millionen verfolgten die Beleidigungen von Christian, dem Nominator, fieberten mit Ebru um die Gunst Walters und beobachteten das Wechselbad der Gefühle zwischen Karim und Daniela, der Container-Barbie.
Längst ist die Luft raus, Realty-TV hat den Reiz des Neuen, des Aufregenden, des Anderen verloren. Kaum noch jemand kann die Namen der Container-Bewohner der dritten BigBrother-Staffel nennen, Girlscamp und House of Love waren von Anfang an ein großer Flop. Die Produzenten müssen die Konsequenzen ziehen. Girlscamp wird in das Nachtprogramm abgeschoben, von dem Liebeshaus auf RTL hört man kaum noch etwas. Selbst BigBrother, der Vorturner im deutschen Reality-Fernsehen landet vorläufig in der Mottenkammer. Nach Ende der aktuellen Staffel soll mindestens ein Jahr vergehen, bis ein neuer Versuch gestartet wird. Aber wer weiß, vielleicht hat sich bis dahin Reality-TV auf das Niveau der „Truman Show“ weiterentwickelt.