(15.02.2003 21:59)
Der Kurs Darstellendes Spiel des Jahrgangs 13 des Goethe-Gymnasiums führte am 17., 18. und 19. Februar 2002 das Stück „Carpe Diem“ frei nach N.H. Kleinbaums „Der Club der toten Dichter“ auf.
Das Stück spielt in der Welton Academy, einer Internatsschule in einem kleinen Dorf im Nordosten der Vereinigten Staaten von Amerika in den Bergen von Vermont. Es handelt sich um eine sehr alte, sehr traditionsreiche Schule, die einen sehr guten Ruf unter den reichen Eltern hat. Seit einigen Jahren gibt es dort auch Mädchen als Schülerinnen, weil die Gesetzgebung das erzwungen hat. Während der Einführung der neuen Schüler wird auch eine neue Lehrerin an der Schule aufgenommen: Miss Boyd (gespielt von Katharina Koch).
Die Schüler erhalten durch die neue Lehrerin Miss Boyd eine ungewöhnliche Art von Unterricht. Sie hält nichts von den bisherigen traditionellen Lehrmethoden. Sie versucht ihren Schülern ein Gefühl für Dichtung zu geben, die aus dem Herzen kommt und nicht aus Büchern. Mit ihren neuen Methoden macht sie sich aber keine Freunde, ihre Schüler ausgenommen.
Als Neil ein altes Jahrbuch in die Hände fällt, erfährt er vom „Club der toten Dichter.“ Einige der Schüler lassen den Club wieder aufleben. Sie lesen Gedichte von alten Dichtern oder selbst geschriebene Texte. Für Miss Boyd, die den Club befürwortet hat, werden ihre eigenen Lehrmethoden schließlich zum Verhängnis. Sie wird nach dem Tod von Neil suspendiert.
Über die amerikanische Erziehung
Jedes Jahr besuchen einige Schülerinnen und Schüler der Goetheschule für einige Wochen oder sogar für ein ganzes Jahr amerikanische Schulen. Wenn man sie nach ihren Eindrücken fragt, nachdem sie wieder da sind, erzählen sie oft – nicht immer, dass die Disziplin in der Schule, in der sie gewesen sind, besser ist als hier in Deutschland.
Das gilt in besonderem Maß für die amerikanischen Internatsschulen. Von Westpoint hat sicher schon jeder einmal etwas gehört, aber die wenigsten machen sich klar, dass in solchen Akademien, von denen es in Amerika eine ganze Reihe gibt, schon Zehnjährige aufgenommen werden. Das heißt, der Disziplin, die dort noch viel straffer ist als an den Normalschulen und die dort auch viel rigider durchgesetzt wird, sind Kinder unterworfen. Und es ist bekannt, wie viele dort scheitern.
Wenn man in amerikanischen Filmen oder auch in ganz normalen amerikanischen Sitcoms im Vorabendprogramm des deutschen Fernsehens einmal darauf achtet, welche Rolle die Eltern spielen, wie insbesondere die Väter dort dargestellt werden, dann staunt man, wie – für unsere Verhältnisse – konservativ die amerikanische Erziehung immer noch ist. Der Respekt, den die durchschnittlichen amerikanischen Jugendlichen ihren Eltern entgegenbringen, ist viel größer als bei uns.
In unserem Stück wird das an der Figur des Neil deutlich. Beim Lesen unserer Textvorlage und auch beim Spielen ist es uns immer wieder schwer gefallen, es hinzunehmen, wie er sich seinem Vater gegenüber verhält, wie er sich unterdrücken lässt. Das wird noch besonders deutlich, weil seine Freundin, die er bei uns hat, offensichtlich ein ganz anderes Verhältnis zu ihren Eltern hat – denn natürlich gibt es auch in Amerika liberale Eltern, die keinen Gehorsam ohne Widerspruch von ihren Kindern verlangen. Aber die Regel ist das anscheinend noch nicht.
Da dies ein wesentlicher Zug des Buches und des Films und ein offensichtliches Anliegen der Autorin Nancy H. Kleinbaum ist, haben wir diesen Sachverhalt genau so stehen gelassen, wie sie in den Vorlagen angelegt ist, auch wenn es für unsere Zuschauer vielleicht nicht so überzeugend wirkt. Aber gerade die Wut, die sich gegen diese Art von Erziehung und gegen die Personen, von denen sie im Stück vertreten wird, den Vater und den Schulleiter, im Zuschauer aufbaut, ist eine Absicht des Stückes. Damit soll sich der Zuschauer auseinander setzen – wir hoffen, dass er es tut.
Günther Wagner