Ihr habt es euch wirklich verdient

Von unserem Deutschlehrer Ralph Meist (03.07.2005 16:55)

Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten,
liebe Eltern, liebe Angehörige, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Eine Rede zur feierlichen Verabschiedung der Abiturienten soll ich halten.
„Du kannst das doch als Deutsch-Lehrer.“ Aha!
„Du, die soll auch gar nicht lang sein.“ Aha!
Was sagt man denn da so? „Hier steh‘ ich nun ich armer Tor ..“ . Na, ja, auch als Deutsch-Lehrer muss man es ja nicht gleich übertreiben, auch nicht an einem Gymnasium, das Goethe im Namen trägt.

Beifall für die Rede

Vielleicht steht ja was im Internet. Da steht was, aber das will ich doch gar nicht sagen. Aber was will ich denn sagen? Alles Gute für euren weiteren Weg, das wäre doch gut, aber auch ein wenig kurz und von einer Würdigung der erbrachten Leistung auch noch kein Wort gesagt. Aha!

Freudig und entspannt

Die Rede von Alexander Schön vom letzten Jahr könnte ich nehmen; die war toll, kennt auch noch keiner von euch. Aber ich bin doch Deutsch-Lehrer! Da werden mir doch wohl die richtigen und passenden Worte einfallen, bin doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Vielleicht etwas, was ihr in den letzten Tagen und Wochen noch nicht gehört habt?
Richtig, ich bin euer Lehrer, vielleicht sollte ich mal davon etwas erzählen, davon, was mich so beschäftigt, wenn ich zu Hause am Schreibtisch sitze und mir am Ende des Halbjahres Gedanken über eure Noten mache. Nun gut: Das sieht ungefähr so aus:

Die Abirede der Schüler hält Felix Kraft

Oberstufe. Leistungskurs.
Ende des Halbjahres.
Bewertet wird nach Punkten.
15 Punkte sind maximal zu vergeben; das entspricht einer Einsplus.
15 Punkte gebe ich nicht.
14 auch nicht.
Oder sollte ich Olga und Johann nicht doch 14 Punkte geben? Beide sind so gewissenhaft, bringen den Unterricht durch ihre überlegten Beiträge zumeist weiter. Oder setze ich die Grenze bei 13 Punkten? 13 Punkte entsprechen einer Einsminus – noch sehr gut. Die beiden sind aber doch gar nicht „noch sehr gut“, sondern unbedingt „sehr gut“, also 14 Punkte. Außerdem könnte ich so Sebastian noch 13 Punkte geben; das ist mir wichtig und darüber hinaus auch ein Signal. Sebastian, der sonst so destruktiv ist, sich zeitweise vom Unterricht verabschiedet aber seit diesem Halbjahr, bei der Besprechung von Uwe Timms Roman „Kopfjäger“ so engagiert ist. Das sind eigentlich eher 14 Punkte. Seine Hausaufgaben waren ausgezeichnet. Also 14 Punkte. Aber was mache ich dann mit Olga? Also gut, Olga bekommt 15 Punkte, Johann dann aber auch – so komme ich nicht vorwärts. Vielleicht gehe ich mal alphabetisch vor:

Agnes. Agnes nörgelt oft. Meistens über ihre Mitschüler, aber ihre Beiträge sind doch o.k. „Noch gut“, 10 Punkte, das ist in Ordnung. Außerdem kann ich so Peter noch 5 Punkte geben. Oder ist Peter nicht doch eher schwach ausreichend, also 4 Punkte. Mann, ist doch egal. Ist gar nicht egal. 4 Punkte, schwach ausreichend, bedeutet, dass der Kurs im defizitären Bereich ist. Kann sich Peter noch einen defizitären Kurs leisten? Mist, außerdem wollte ich doch alphabetisch vorgehen. Die 5 Punkte gebe ich Peter in jedem Fall, auch wenn die Millimeterskala dann nicht mehr stimmt. Dann bekommt Jakob 6 Punkte, obwohl verglichen mit …….

Unser Bester: Thomas Pletsch…

So sieht das manchmal bei mir zu Hause am Schreibtisch aus! Aber bei meinen Ausführungen sollte es gar nicht so sehr um mich gehen. In meinem letzten Leistungskurs gab es keine Olga und auch keinen Johann. Genauso sieht es – rein namentlich – mit den restlichen Schülern aus. Aber es gibt gute, sehr gut Schüler. Es gibt zwar auch Schüler in diesem Kurs, die vielleicht gar nicht so gut beraten waren, sich für einen Deutsch-Leistungskurs zu entscheiden und da spreche ich sicherlich auch für so manch anderen Leistungskurs, aber nun waren sie einmal da. Und ich bin froh, dass sie da waren – da sind – und mir diesen Kurs so ans Herz haben wachsen lassen. Gerne habe ich in diesem Jahrgang unterrichtet. Allerdings die Rechtschreibung! Die reinste Katastrophe. Interpunktion? Nie gehört. Zum Haare raufen! So sieht es nämlich aus!

und auch Isabella Pisarczyk wurde ausgezeichnet

Dieser Kurs und der gesamte Jahrgang sind nicht in Zahlen und Noten darzustellen. Vielmehr möchte ich mich bei euch bedanken: Ich bedanke mich für eure Fairness, eure Freundlichkeit und eure Fröhlichkeit, mit der ihr meinen Kollegen und mir begegnet seid. Ich bedanke mich dafür, dass ihr euch engagiert habt. Ich werde diesen Jahrgang in guter Erinnerung behalten und freue mich über die zwei Jahre, die wir gemeinsam verbracht haben.

Für eure persönliche und berufliche Zukunft wünsche ich euch nur das Beste! Ich wünsche euch, dass eure Wünsche und Träume in Erfüllung gehen. Ich möchte euch Glück wünschen, ich möchte, dass ihr zur richtigen Zeit am richtigen Ort seid, ich möchte, dass ihr Menschen findet, die eure Talente erkennen und fördern, die euch zur Seite stehen und mit euch zusammen dafür sorgen, dass ihr glücklich werdet – beruflich und natürlich, was genauso wichtig ist, auch privat. Ich finde, ihr habt es euch wirklich verdient.

Die Rede ist gleich zu ende und ich bin fast ein bisschen stolz, dass ich diese Rede halten durfte, und ich denke, das Wesentliche ist jetzt gesagt!