Rudi, the rednosed fatso

Von unserem Redakteur Christian Heine (21.12.2003 16:49)

Es war einmal ein Schüler, ein sehr schlechter Schüler, der Rudi hieß. Rudi war ein einsamer Junge, denn er hatte keine Freunde. Auch seine Eltern und Geschwister mochten ihn nicht, ganz zu schweigen von seinen Lehrern. Rudi war stark übergewichtig, da er selten und ungern Sport trieb. Das brachte ihm den Namen „Rudi, the Rednosed Fatso“ ein. Seine Mitschüler sangen es ständig, wenn sie ihn sahen.

Und wieder steht das Weihnachtsfest bevor …

Die Adventszeit neigte sich dem Ende zu, Weihnachten stand vor der Tür. Alle Kinder, groß und klein, freuten sich auf diesen Tag, alle, außer Rudi. Er hasste das enge Beisammensein mit Eltern und Geschwistern und er war neidisch auf die Geschenke, die seine Geschwister bekamen. Erich, Rudis großer Bruder, bekam einen eigenen kleinen Kühlschrank mit Eisfach von seinem Vater, Ursula, Rudis kleine Schwester, bekam eine traumhafte Halskette von ihrer Mutter, nur Rudi bekam das, was er jedes Jahr bekam – gar nichts.

… und andächtig erwarten die Kinder Tante Else und die Geschenke

Es war der 24. Dezember. Die Geschwister saßen in der Küche und spekulierten über die zu erwartenden Geschenke.Tante Else wurde erwartet, eine Dame mittleren Alters, recht vermögend, mit gelegentlich wechselnden Lebensabschnittspartnern, die sie der Familie zu präsentieren pflegte. Jeder sollte etwas bekommen. Etwas, das sich bewegt. Mehr wussten sie nicht. Ursula hatte ihrer Tante anvertraut, dass ihr größter Wunsch ein eigenes Pferd sei. Erich war sich fast sicher, den heiß ersehnten Roller zu bekommen. Und Rudi? Rudi erwartete gar nichts. Er erinnerte sich noch lebhaft an Tante Elses großzügigen Geschenks zu seiner Einschulung – ein Bleistift und ein Radiergummi.

Ein Pferd und ein Roller sind die Wünsche

Endlich bog Tante Else in einem ihnen unbekannten VW-Kastenwagen in die Einfahrt vor ihrem Haus ein. Aufgeregt sprudelte Ursula hervor: „Da ist mein Pferd drin!“ „Das glaubst du doch wohl selbst nicht, dass dein blöder Zossen meinen schönen, neuen Roller vollscheißt; wenn doch, kommt das Vieh zu Neujahr in die Wurst!“ sagte Erich sarkastisch. „Du bist ja sooo gemein“, zeterte Ursula. Die Türklingel unterbrach jede weitere Diskussion. Tante Else stand mit ihrem derzeitigen Lebensabschnittgefährten vor der Tür. „Frohe Weihnachten“, sagte Rudi, als er die Tür öffnete. „Ja, ja!“, sagte Tante Else und ging achtlos an ihm vorbei.

Der große Moment war gekommen. Huldvoll lächelnd gab Tante Else Ursula einen Umschlag. Es war zwar nicht das ersehnte Pferd, aber immerhin ein Reitkurs auf einem bekannten Gestüt. In Erichs Umschlag war ein großer Geldschein und eine Karte, auf der stand: „Damit die Räder für dich bald rollen“. Zuletzt griff sie in ihre Handtasche und überreichte Rudi … ein Jojo. Schweigend verließ Rudi den Raum.

Für Rudi gab es nur einen JoJo

Nach einer Weile begann er, das Jojo auszuprobieren, im Stehen, im Sitzen und schließlich im Liegen. Im Laufe der langen, langweiligen Ferien brachte es Rudi zu einer erstaunlichen Fertigkeit im Fuß-Jojo. In der ersten Sportstunde nach den Ferien entdeckte ein Klassenkamerad das Jojo und fragte verächtlich: „Was willst du denn damit?“ Zögernd zeigte Rudi seine Tricks und war sehr verblüfft, als ihn alle lachend, aber anerkennend umringten. Binnen wenigen Woche war das Fuß-Jojo der Trend und jeder fragte Rudi nach neuen Tricks. Immer häufiger wurde er jetzt von seinen Freunden eingeladen und da er zunehmend schlanker wurde, interessierten sich auch die ersten Mädchen für ihn.

In einer schöneren, gerechteren Welt würde Rudi nun mit der Vermarktung von Fuß-Jojos steinreich werden, eine Familie gründen, zu Weihnachten seinen Kindern ein Pferd oder einen Roller schenken und viel später Bürgermeister in einer Kleinstadt werden. Aber so ist das wirkliche Leben eben nicht, so dass ihr bestimmt schon längst bemerkt habt, dass es sich nur um ein erfundenes Weihnachtsmärchen handeln kann.