Schluss mit lustig!

von unserer Redakteurin Anna Scharf (10.03.2006 22:58)

Wo sind sie, die alten, miesepetrigen Meckertypen, die uns jungen Spunden vorwerfen, in einer Spaßgesellschaft zu leben und nur an unser eigenes Vergnügen zu denken? Denn auch wenn wir es nicht wahr haben wollen, sie haben eindeutig Recht. Das ist das Resultat meiner letzten Fernsehabende, was ich hier einfach mal loswerden will.

Meine Kritik richtet sich gegen einen bestimmten Privatsender, dessen Experten es sich seit einigen Jahren zur selbstlosen Aufgabe gemacht haben, seine werbeverwöhnten Zuschauer zu unterhalten, aber natürlich immer so, dass anscheinend genügend Informationen über aktuelle „News“ und allgemein wichtige Schlagzeilen in Form von „Taff“, „Avenzio“ und „Sam“ übermittelt werden. Natürlich dürfen auch informationsgeballte Berichte aus den „weiterbildenden Wissenschaftssendungen“ wie Galileo und Wunderwelt-Wissen nicht fehlen.

Auch für die Kleinen wird gesorgt.

Seien wir doch mal ehrlich: Diese Sendungen-mit-der-Maus-für-Erwachsene-Shows haben in den letzten Jahren genauso zusehends an Niveau verloren wie Britney Spears. Seit wann erweitert es das Wissen, wenn man sich zweimal pro Woche Berichte über immense Sprengversuche oder die ach so gesunde Industrie-Lebensmittelproduktionen anschaut? Aber solange es unserem Zeitvertreib dient, konsumieren wir einfach mal. Nicht, dass wir von Experten entwickeltes Sendeverhalten hinterfragen müssten!

Was nützen die schönsten Ansagerinnen, die…

Als Ausgleich steht dann die neu anlaufende Telenovela „Lotta in Love“, die offensichtlich die Einschaltquoten nur noch weiter nach oben treiben soll. Okay, in Ordnung, nichts gegen eine seichte Love-Story mit viel Romantik, in die wir uns selbst so richtig hinein leben können. Nur hinterfragt offensichtlich kein Zuschauer die Tatsache, warum die Produzenten selbst für diese angeblich so lebensnahen Geschichten immer nur OP-Schönheiten wählen?
Denn so ist doch die unterschwellige Moral von der Geschichte: Ihr könnt nur Erfolg haben, wenn ihr hübsch seid! Entsprechen die Mädchen nicht dem angesagten Schönheitsideal, sind sie es nicht wert, vor die Kamera zu kommen. Ist das nicht der Grund, warum Minimalansätze von Emanzipation nur noch ein Fremdwort im Bewusstsein der Menschen – genauer der Frauen – sind? Auch wenn diese Schlussfolgerung auf den ersten Blick sehr weit hergeholt erscheint, so können wir es nicht mehr leugnen, dass die Medien die Macht über uns übernommen haben, indem sie so tun, als ob sie uns einen großen Gefallen tun, wenn sie uns anbieten, durch Entertainment unsere ach so schweren Alltagssorgen zu vergessen. Wie gütig!

…beste Technik, wenn…

Aber glauben wir einfach mal an das falsche Versprechen. Reflektierende Rückblicke sind in einer Konsum- und Spaßgesellschaft mit „Entlassungsproduktivität“ und „Workaholic-Club-Atmosphäre“, in welcher wir nun mal leben, nicht erwünscht! Solange wenigstens noch so getan wird, dass wir von diesem populären TV-Sender noch Informationen bekommen und wir anscheinend etwas für unser Allgemeinwissen tun, ist doch alles in Ordnung! Gehören Selbstlügen, Gleichgültigkeit und Verleugnung nicht auch automatisch in unsere Spaßgesellschaft, in der wir nun mal leben, in der wir in Bildschirme glotzen, die uns vom analogen bis zum digitalen HDTV-Format rücksichtslos zu konsumierenden Robotern verdummen, nur weil dieser populäre Sender uns tägliche auf dringlichste auffordert?

…das Ergebnis einfach nur seicht ist.

Wenn sich unsere Gesellschaft also auf diese Weise „outen“ will, stellt sich für mich nur eine Frage: Wie werde ich zu einem alten, miesepetrigen Meckertypen, der so etwas nicht mit sich machen lässt? Oder anders: Schluss mit lustig, wo ist der Ausschaltknopf!