Super-Gau im Osterland

Von unserem Redakteur Marc Hoffmann (27.03.2005 15:01)

Wie jedes Jahr um diese Zeit hatte Hugo viel zu tun. Er bemalte Eier mit Mustern oder ohne, mit Bildern oder ohne – aber immer farbig. Und diesen Job hatte er schon seit zehn Jahren inne. Auch diesmal herrschte zu Ostern in der kleinen Gemeinde Hasenhausen, in der er wohnte, helle Aufregung, denn es war Hauptsaison.

Osterhasen gibt es naturgemäß überall

Alle waren beschäftig. Von den Großeltern bis zu den Kleinsten waren sie eifrig dabei Eier zu holen, zu bemalen oder zu bekleben, anschließend zu testen und schließlich für den Transport aufzustapeln. So lief es ab in Hasenhausen kurz vor den Osterfeiertagen. Alle waren bereit, die Menschen, insbesondere aber die Kinder dort draußen zu beglücken.
Aber diesmal herrschte in Hasenhausen gedrückte Spannung. Im letzten Jahr waren 200 Eier beim Absturz zweier Flugenten kaputtgegangen, und deshalb konnte Manfred Mümmler weniger Eier verstecken. Den Menschen war aber nichts aufgefallen. Sie hatten nicht einmal darauf geachtet, dass bei ihnen weniger Eier im Garten lagen als im Jahr zuvor. Schimpfend war Manfred wieder im Dorf erschienen und hatte die Menschenkinder als unaufmerksames, verwöhntes Pack bezeichnet. Diesen sei nicht nur entgangen, dass weniger Eier verteilt worden waren, sondern sie ließen sogar ihre Eier einfach in den Verstecken liegen, so dass diese bald gräßlich rochen und verfaulten.

Aus diesem Grund wurde diesmal ausdrücklich die grüne Farbpalette weggelassen und durch grelle Farben ersetzt. Außerdem hatte der Hasenbürgermeister Ludwig Löffler den Befehl ausgegeben, die Bemusterung der Eier deutlicher hervorzuheben nach dem Motto: Je ausgefallener, desto besser. So wurden also zu diesem Zeitpunkt alle Eier mit auffällig bunten Bildern, mit Tieren und Autos und anderen lustigen Motiven bemalt. Aus allen Ostereier-Ateliers leuchteten neonfarbene Eier oder Eier mit aufgeklebten Popstars für die älteren Kinder und mit Blümchen und Herzchen für die jüngeren.

Aber Ludwig Löffler, dem sonst so erfolgreichen Hasenbürgermeister, unterlief ein kapitaler Fehler. Nachdem die Eier nun alle bemalt und beklebt waren, fiel ihm auf, dass die aufwändige Eierbemalung die Einnahmen aus dem Osterfest bei weitem übersteigen würde. Der eilig einberufene Osterhasen-Finanzausschuss beschloss nach erregter Diskussion fast einstimmig, menschliche Finanzierungsmaßnahmen zu übernehmen. Es war ein schwieriger hasenpolitischer Drahtseilakt, aber mit Hilfe des erfahrenen Hugo Hase und dessen Zwergkaninchen sollten alle Eier über Nacht mit kleinen, unauffälligen Werbe-Buttons beklebt werden.

Nachdem Hugo Hase die ersten Werbe-Eier der Zwergkaninchen noch sorgfältig unter die Lupe genommen hatte, vertraute er seinen Helfern. Mit größter Anstrengung wurden die neuen Ostereier in der Nacht zu Ostersonntag gerade noch fertiggestellt. Alle Bewohner von Hasenhausen lehnten sich zufrieden zurück. Als Hugo Hase bei seinem Kontrollspaziergang die Ostereier inspizierte, traf ihn fast der Schlag. Die Konsumsucht der Zwergkaninchen hatte dazu geführt, dass die Werbeaufschriften auf den Eiern überdimensional groß geworden waren, richtige Werbe-Eier mit großen Mercedessternen oder ähnlichen Markenzeichen.

Das war der Super-Gau. Das Osterfest wurde panikartig abgebrochen, alle Eier eingesammelt und die Fluggänse abbestellt. Für die Kinder gab es keine Eier. Diese suchten viele Tage, manche sogar Wochen, ehe sie ihre Suche unter Tränen beendeten. Zerknirscht nahmen sich alle vor, das nächste Jahr wieder gründlicher zu suchen.

Diese Geschichte erzählt man sich nun schon seit Jahren in Hasenhausen, genau wie in der Welt den Kindern vorgelogen wird, dass es keine Osterhasen gäbe. Und so wird wohl nie einer hinter das Geheimnis der Osterhasen kommen, es sei denn, man erwischt sie zufällig beim Verteilen.