Von Tschechen und roten Sofas

von unserer Redakteurin Alisa Schmitz (25.04.2010)

„Die wollen uns unser Gepäck nicht geben.“ Maria sah genervt aus. Durch die Glastür der Rezeption konnte ich sehen, wie Schahin wild mit den Händen gestikulierte und wütend zu sein schien. „We’ll miss our bus if you don’t give us our luggage. There’re gonna be consequences for both of us!“ Wir sind in Prag, verpassen unseren Bus und haben bald auch kein Geld mehr.

 

Leider war es doch kein Scherz von Maria gewesen. Niagara erklärte mir, dass wir eines der roten Schlafsofas im Wohnzimmer kaputtgemacht haben sollen – kaputt. Was für ein schwammiger Ausdruck. Es ist der letzte Tag von einer fünftägigen Reise in die tschechische Hauptstadt Prag. Die Stadt ist wunderschön, die Leute, naja, charakterlich nicht so ganz. Zu siebt haben wir, das heißt Maria, Ramona, Niagara, Marjan, Schahin, Sammy und ich, in einem Apartment gewohnt. Wir sind alle Abiturienten, haben alle gefeiert, und anscheinend auch alle ein rotes Schlafsofa von Ikea kaputtgemacht.

 

Die Polizisten auf der Straße sind freundlicherweise immer

zu einem Foto bereit

Wir mussten warten. Es war schon kurz nach drei; unser Bus, der uns zurück nach Deutschland bringen sollte, fuhr um halb vier. Wir bräuchten mindestens 15 Minuten, gerade mit den schweren Koffern, zum Bahnhof. So langsam wurde uns klar, dass aus unserer geplanten Heimreise wohl nichts werden würde – Panik!

 

Wir hatten nichts getan, das stand für uns fest. Nur leider sah das die Chefin des Hotels ein wenig anders. Als wir um 11 Uhr den Schlüssel für unser Zimmer abgaben, hatte das Mädchen an der Rezeption unser Zimmer durchgeschaut, es als sauber empfunden und uns unsere 100 € Kaution wiedergegeben. Jetzt hieß es plötzlich wir hätten einen Sachschaden zu verantworten. Was in Prag innerhalb von vier Stunden alles passieren kann, Wahnsinn.

 

Um schnellstmöglich einen Plan B zu entwerfen, liefen Sammy und ich zum Bahnhof, um nach weiteren Verbindungen Richtung Heimat zu fragen. Schließlich mussten wir ja sowieso auf die Chefin warten, die sich ganze zwanzig Minuten Zeit ließ. Am Bahnhof angekommen fanden wir recht schnell den Informationsschalter, eine willige Servicekraft aber nicht.

 

Jetzt hieß es, sein bestes Englisch auszupacken: „Hello. We have a Problem. We need new tickets to Germany, Hessia, Kassel. Do you know when the next train leaves?“ Keine Antwort, nur ein kalter Blick. „Do you speak English?“ „Czech“, war die Antwort. Gütigerweise hatte die doch so nette Servicekraft am Schalter ihre andere, ebenfalls sehr freundliche Kollegin gerufen, weil die wohl ein bisschen Englisch verstehe. Nach einigem Hin und Her und etlichen Schalterwechseln hatten wir Zeiten und Preise auf einem Zettel stehen, die uns vielleicht wieder nach Kassel bringen würden.

 

Wenzelsplatz – wenigstens war

das Wetter und die Stadt

wunderschön

Nachdem dann endlich die Chefin des Hotels mit ihrem Mann im Hotel eintraf, wollten diese Geld für das Sofa und holten zur Unterstützung noch gleich zwei Polizisten, die zur Genüge auf der Straße in Prag zu finden sind, hinzu. Keiner von den ganzen Menschen, die nun in der Rezeption standen, wollte Englisch, Deutsch oder Russisch verstehen. Das Einzige, was die Polizisten sagen konnten, war „Passport“.

 

Da sich die Chefin sofort einen der beiden Beamten schnappte, um ihm ihre Version von der Geschichte des roten Sofas zu erklären, hatten wir keine Chance, unseren Standpunkt zu vertreten. Außerdem hatte uns sowieso niemand nach unserer Meinung gefragt, die sie ja auch nicht verstanden hätten, da sie grundsätzlich nur Tschechisch sprechen und verstehen.

 

Wir bezahlten 350 € für ein rotes Sofa und entkamen so dem gewalttätig wirkenden Pförtner, der anscheinend nichts dagegen gehabt hätte, ein Mädchen zu schlagen. Schließlich aber hatten wir das Glück, dass ein freundlicher Busfahrer uns mit den ungültigen Fahrkarten der verpassten Verbindung mitnahm. Endlich jemand, der uns entgegenkam.