Wir wollen mehr

Von unserem Gastredakteur Marius Prauß (22.11.2006 21:47)

Oberarzt Farin Urlaub mit seinem musikalischen Racing Team auf dem konservativen Pflaster von Kassel? Eine Seltenheit, die genutzt werden wollte. Das sahen die Jugendlichen aus Kassel und Umgebung genauso. Das Konzert war ausverkauft.
Es war ein krasser Gegensatz, der sich am 16. November in der örtlichen Stadthalle vereinte: die in den 30er Jahren erbaute Stadthalle im neoklassizistischen Stil empfing einen der größten Punks Deutschlands. Und dieser ließ auch nicht lange auf sich warten. Mit seinem 12-köpfigen Racing Team heizte er den Provinzlern mit Posaune, Saxophon und Trompete mächtig ein. Vier knapp bekleidete junge Damen sorgten für das i-Tüpfelchen des Auftritts.

Das 12-köpfige Racing Team

Jedoch schien es, als könnte dieser Mann, der selbst von sich sagt, dass er für die niveaulosen Ansagen zuständig sei, sich den ein- oder anderen Seitenhieb in Richtung der Kassler nicht verkneifen. „Um rockig zu sein, reicht es nicht, nur die Hände in die Höhe zu reißen und zu grölen!“ teilte er dem Publikum mit. Umso zufriedener war er, dass das „böse Satanszeichen“ schon bis nach Kassel durchgedrungen war. Zudem belehrte Frontmann Farin das infernal jubelnde Publikum nach der erbettelten ersten Zugabe, dass sie doch einfach „wir wollen mehr“ rufen sollten.

Farin Urlaub persönlich und…

Es folgten diverse weitere Rock-Belehrungen, die er immer wieder gekonnt in die Pausen zwischen den Stücken einfließen ließ. Seine Kasseler Fans nahmen all dies in ihrer euphorischen Wissbegier dankend an und bewiesen unter anderem auch, dass sie alle Songtexte weitgehend sicher vortragen konnten, so als Farin Urlaub nach den ersten Worten das Lied „Am Strand“ unversehens abbrach und die Menge unbeeindruckt einfach weitersang. Er musste das hochmotivierte Publikum sogar eigenhändig wieder stoppen, denn es hätte bis zum Ende weitergesungen. Man hätte fast glauben können, er wäre zumindest ein bisschen überrascht gewesen…

…Farin in Aktion

Nach zwei grandiosen Stunden bester Live-Unterhaltung waren alle Zuschauer erschöpft, aber offensichtlich sehr glücklich. Das Farin Urlaub Racing Team verließ ein verzaubertes, tief fasziniertes Publikum, dass nun hofft, dass durch dieses Konzert zumindest ein wenig Licht in die triste Mitte Deutschlands gefallen ist und man in ferner Zukunft auch auf andere deutsche Bands hoffen kann, die nicht nur einfach in ihrem Tourbus an Kassel vorbeifahren…