Von Peter Strutynski, Sprecher des Kasseler Friedensforums (19.10.2003 17:10)
Anlässlich des 60. Jahrestages der heftigsten Bombardierungen Kassels im Zweiten Weltkrieg, in deren Verlauf mindestens 10.000 Zivilisten getötet und große Teile der Innenstadt zerstört wurden, veranstaltet das Kasseler Friedensforum eine fünfstündige Mahnwache am Mittwoch, 22. Oktober, 18 bis 23 Uhr auf dem Königsplatz.
Die Zerstörung Kassels
Das Friedensforum will mit der Aktion deutlich machen, dass die Trauer um die Toten und das Gedenken der Opfer vom 22. Oktober 1943 ergänzt werden müssen um die Erinnerung an die Ursachen und Verursacher des Zweiten Weltkriegs, an den verbrecherischen Eroberungsfeldzug der deutschen Wehrmacht, an die bereits 1940/41 begonnenen Lutftangriffe auf britische Städte, an den Vernichtungskrieg in Osteuropa und – nicht zuletzt – an die millionenfache Ausrottung jüdischen Lebens.
Der Rückblick auf einen der schlimmsten Tage in der Geschichte Kassels wäre auch unvollständig, wenn er nicht gleichzeitig zum Nachdenken über die Gegenwart und Zukunft auffordern würde. Seit dem Ende des Kalten Kriegs in Europa scheinen Kriege weltweit wieder zum „normalen“ Mittel der Politik zu gehören. Und Deutschland war 1999 beim NATO-Krieg gegen Jugoslawien dabei und unterstützte den US-Krieg gegen Afghanistan. Beides waren Luftkriege, bei denen die sog. Kollateralschäden, d.h. die unter der Zivilbevölkerung, verheerender ausfielen als die Schäden unter den rein militärischen Zielen.
Die Mahnwache des Friedensforums wird mit Dias und Texten den Bogen schlagen von Kassel 1943 nach Belgrad, Kragujevac oder Varvarin 1999 und nach Kabul, Kandahar oder Masar-i-Shariff 2001. Auch der von der Bush-Regierung ausgerufene „Krieg gegen den Terror“ wird selbst zum Terror, weil er terroristische Gewalt mit den falschen Mitteln bekämpft, Unschuldige tötet, zivile Gesellschaften zerstört und noch mehr terroristische Aktivitäten herausfordert.
Die Mahnwache des Friedensforums will einen anderen Akzent setzen, als das offizielle Trauerfeiern gewöhnlich tun. Gar nicht einverstanden ist man beim Friedensforum mit dem Beitrag des Ufa-Filmpalasts, der am Abend des 22. Oktober den in der Kriegszeit gedrehten Abenteuerfilm „Münchhausen“ zeigt. Einen zu Propagandazwecken eingesetzten Unterhaltungsfilm, der die Menschen damals zum „Durchhalten“ im Krieg bis zum Endsieg ermuntern sollte, aus diesem Anlass zu zeigen, ist geschmacklos und ein beängstigendes Zeichen historischer Ignoranz.