Eignungsprüfung

(28.12.2004 21:56)

Herr Meyer, heben Sie die rechte Hand und schwören Sie, vor diesem Komitee die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit.
Ich schwöre.

Nehmen Sie Platz, Herr Meyer. Sie wissen, dass Sie routinegemäß vorgeladen wurden, um Ihre Eignung für den gehobenen Schuldienst zu überprüfen. Wenn Sie bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten und die offenen Fragen zur Zufriedenheit zu klären, steht Ihrer Berufung nichts im Weg.

Davon bin ich überzeugt, Herr Vorsitzender. Ich war immer ein guter Staatsbürger und habe nichts zu verbergen.

Herr Meyer, sagen Sie mir doch bitte: Haben Sie jemals eine Reise in einen islamischen Staat unternommen?

Nein, wir fahren seit Jahren immer nach Rügen.

Ich frage nicht nach Ihren Urlaubsgewohnheiten. Ich wiederhole: Waren Sie jemals in einem islamischen Staat?

Nein!

Sie waren vom 5.10.1997 bis zum 19.10.1997 in Marokko. Wollen Sie das leugnen?

Oh nein, es tut mir Leid, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Das war ein kurzer Badeurlaub damals … aber islamischer Staat …? Es war doch ein Königreich.

In Ihrer Begleitung befand sich die türkischstämmige Aysche Begir, trifft das zu?

Ja, meine damalige Freundin.

Aysche Begir ist die Autorin des Buches „Miteinander der Kulturen“, nicht wahr?

Aysche hat inzwischen ein Buch geschrieben? Davon wusste ich gar nichts. Leider haben wir uns bald danach getrennt, sie studierte dann in Berlin und wir haben uns ganz aus den Augen verloren.

Sie behaupten, das Buch nicht zu kennen?

Nein, ich kenne es nicht. Warum fragen Sie denn danach?

Welcher Religion gehört Frau Begir an?

Ich denke, katholisch, sie ist ja in Köln geboren. Aber ich muss leider zugeben, darüber haben wir nie gesprochen …

Katholisch, denken Sie. Dann müsste sie im Pfarramt Deutz-Mitte getauft worden sein, in dem Bezirk wurde sie ja geboren. Herr Meyer, Sie sollten nicht versuchen, uns zu täuschen. Es gibt keine Taufeintragung. Ihre Freundin ist Muslimin, und Sie wissen das. Also denken Sie an Ihre Laufbahn und kooperieren Sie!

Ich weiß darüber nichts, Herr Vorsitzender, wirklich …

Sie können es jetzt nicht mehr zugeben, nicht wahr, dann müssten Sie ja einen Meineid gestehen. Lassen wir das also für den Augenblick. – Sie sind am 5.10.1997 in der Stadt Agadir in dem Touristenhotel „Beach Club“ abgestiegen, in dem auch ein Doppelzimmer für 14 Übernachtungen reserviert war. Am 10.10.1997 haben Sie bei Europcar in Agadir einen Mietwagen Renault R5 gebucht und kurz darauf die Stadt verlassen. Sie sind erst am Abend des 18.10.1997 zurückgekehrt. Wo waren Sie in der Zwischenzeit?

Es wurde uns zu langweilig, immer nur am Swimmingpool zu liegen. Wir wollten ein wenig vom Land kennen lernen. Da haben wir den Wagen gemietet und sind ins Landesinnere gefahren.

In Richtung Atlasgebirge. An welchem Ort waren Sie?

Ja, ins Atlasgebirge, aber an die Ortsnamen kann ich mich beim besten Willen nicht …

Moment, Herr Meyer! Wir wollen doch nicht, dass Sie noch einen Meineid schwören. Sie haben die Nacht zum 11.10.1997 in Tata verbracht. Wohin sind Sie dann gefahren?

Ja, das kann sein … aber woher wissen Sie denn das?

Wir haben Ihre Kreditkartenabrechnungen. Sie haben meine Frage gehört: Wohin sind Sie von Tata aus gefahren?

Ich erinnere mich daran nicht mehr. Wirklich nicht. Warum schauen Sie denn nicht in die Kreditkartendaten, wenn Sie sie schon haben?

Es existiert keine Abrechung für den Zeitraum vom 11.10. bis zum 17.10.1997! Wo waren Sie?

Ich weiß die Ortsnamen nicht mehr, es ist doch schon so lange her. Wir sind einfach so herumgefahren, von einem Ort zum nächsten. Übernachtet haben wir in kleinen Hotels. Dort nimmt man nicht überall VISA, verstehen Sie?

Ich verstehe, und ich helfe Ihrem Gedächtnis noch einmal nach: Sie haben 996 Kilometer mit dem Mietwagen zurückgelegt. Von Tata aus sind Sie nach Osten gefahren und haben illegal die Grenze nach Algerien überschritten, nicht wahr. In Grenznähe befand sich ein Lager des Terroristen Anwar El-Mussuf …

Nein, nein, was wollen Sie mir denn unterstellen?!

Ihre muslimische Geliebte hat den Kontakt angebahnt, nicht wahr. Sie wissen doch, dass ihr Buch auf der Liste des Generalstaatsanwalts steht!

Welche Liste?

Das Verzeichnis der 24 000 in Europa verbreiteten islamistischen, pro-islamischen und anti-antiislamischen Schriften, die sich alle mehr oder weniger gegen unsere Leitkultur richten. Behaupten Sie etwa, auch dieses Verzeichnis nicht zu kennen? Und Sie streben ein Lehramt an?

Herr Meyer, wir können das Gespräch hier beenden, denn Sie stellen sich unwissend und sind nicht kooperativ. Das Schutzkomitee gegen undeutsche Umtriebe kann Ihnen nicht bescheinigen, dass Sie geeignet sind, im deutschen Bildungswesen tätig zu werden und ein beträchtliches Gehalt zu Lasten des deutschen Steuerzahlers zu beziehen. Sie können gehen. Die Sitzung ist geschlossen.

*Diese fiktive Geschichte wurde nach den im Jahre 2003 veröffentlichten Protokollen der McCarthy-Anhörungen, die im demokratischen Staat USA stattfanden, von Christian Persson, aus: c’t Nr. 1 vom 27.12.2004 konstruiert.
Wem diese Geschichte als zu haltlos erscheint, kann sich an dem ausführlichen Datenschutzreport in der gleichnamigen Computerzeitung orientieren unter dem Titel: Dr. Oliver Tolmein: Nichts zu verbergen. Die allmähliche Abschaffung des Datenschutzes, S. 74 ff