Einkaufszentrum oder Kirche ?

von unserer Redakteurin Anja Anbarchian (19.12.2007)

Die letzen 14 Jahre ihres Lebens ging sie jeden Sonntag mit ihrer Familie in die Kirche, doch heute ist sie an einem anderen Ort: Heute kauft sie sich das lang ersehnte Oberteil in ihrem Lieblingsladen. So ist Lea jetzt jeden Sonntag in der Einkaufsmeile ihrer Stadt unterwegs.

 
Einkaufen 24 Stunden…  

Nur eine Zukunftsvision? Nein, diese scheint schleichend Realität in Deutschlands Städten zu werden. Immer weiter entwickelt sich die Verkaufsbranche. So wurden in den letzen Jahren die Öffnungszeiten immer wieder erweitert, um es dem Kunden noch einfacher zu machen die Kassen noch mehr zu füllen. So wurde der lange Donnerstag abgeschafft, an dem die Geschäfte bis 20 Uhr offen hatten, und es wurde die ganze 20-Uhr-Werkwoche und der 16-Uhr-Samstag eingeführt. Von geregelten Arbeitszeiten konnten nun im Einzelhandeltätige nicht mehr sprechen. So mussten sie knapp zwölf Stunden mehr die Woche arbeiten. Vorbei waren die Zeiten, in denen Geschäfte um 18 Uhr unter der Woche und samstags um 13 Uhr schlossen. Die Arbeitszeiten scheinen immer unmenschlicher zu werden und wir bewegen uns mit großen Schritten auf eine 24-Stunden-Gesellschaft zu.

„Totale Effekthascherei!“ prangert Frau Klaus, evangelische Religions- und Französischlehrerin deutlich an. „Es kann ja wohl nicht sein, dass die Geschäfte immer länger auf haben. Als wären wir alle zu blöd unsere Zeit einzuteilen, und so um 21:45 Uhr noch einkaufen gehen müssen. Wozu gibt es denn Tankstellen, da bekommt man doch auch das Nötigste. Auch hört das doch mit dem Verkehr nicht auf. Dieser nimmt zu und ebenso der Krach. Ich versteh das ganze wirklich nicht. Das Geld können die Leute doch auch nur einmal ausgeben, kein Mensch hat heute noch so viel Geld um es jeden Sonntag zu verprassen.“

 
…bis zum Umfallen, bis dahin…

Auch Frau Hunold findet die ganze Sache schrecklich und für keinen zumutbar. „Der Sonntag war doch bis jetzt immer noch der Tag , an dem man mal Ruhe vor allem hatte und nun wird dies einem auch noch genommen? Das ist wirklich schlimm. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich drei kleine Kinder hatte und die Öffnungszeiten noch nicht so massiv auf den Kunden zugeschnitten waren, da habe ich ebenso gut meine Einkäufe erledigen können. Im Großen und Ganzen ist das einfach nur unsinnig.“

Ebenso ist der sonst so gutmütige Hausmeister Herr Leser nicht erfreut über die offenen Sonntage und das immer breitere Angebot an Einkaufszeiten: „Ich finde es schade für viele Familien. Wo bleibt denn nur der gute alte Sonntag, an dem man noch was von seiner Familie hatte? Ich gehe zwar nicht unbedingt jeden Sonntag in die Kirche, aber in die Stadt würde ich sonntags genauso wenig gehen.“ erklärt er bestimmt.

 
  … ist es kein langer Weg mehr.

Während die Erwachsen die Idee eines Verkaufsoffenen Sonntags eher ablehnen, freut es die Jugend. „Was soll ich sonst an einem total langweiligen Sonntag machen? Kirche? Niemals! Hausaufgaben? Nee. Da geh ich doch lieber in die Stadt und trinke einen schönen Milchkaffe und begutachte meine Neuerworbenen Einkäufe,“ so Laura, aus der Zehnten, mit verträumtem Blick. Auch Anne aus der Oberstufe stimmt da zu: „Ich finde es bloß Schade für die Leute die Arbeiten, für mich ist es aber toll. Ich würde die Freiheit genießen, wann ich will shoppen zu gehen.“

Dennoch empfindet Tobias es anders. „Ich finde die Kirche ist doch etwas Wichtiges, was man auch respektieren sollte. Das ein großes Einkaufszentrum nun diesen Platz einnimmt, ist doch lächerlich. Sechs Tage reichen doch. Der siebte sollte wirklich der Entspannung und der Ruhe gehören, um wieder in den Einklang mit sich selbst zu kommen.“ Dies ist allen, die gegen den 7-Tage-Konsum sind, besonders wichtig. Sonntag ist der Tag, um den leer gewordenen Akku wieder aufladen zu können für eine neue anstrengende Woche, und wenn man nicht einen Tag mal von all der Hektik abstand gewinnt, ist dies gar nicht möglich.