Feuchtgebiete

von unserer Redakteurin Marie Thiede (30.11.2008)

Jeden interessiert es, aber keiner gibt es gerne zu. Doch wie hätte dieser Roman sonst im Null Komma Nix zu einem Bestseller werden können?

So selbstbewusst und offen hält dieses Buch in der Öffentlichkeit wohl nicht jeder.

Mit dem Titel »Feuchtgebiete« ist genau das gemeint, woran jeder denkt, wenn eine attraktive Frau dieses Wort in den Mund nimmt, die nicht gerade so aussieht, als würde sie sich für die Ökologie der Biotope Nordhessens oder gar für das Leben der Sumpfhühner interessieren. Im entferntesten Sinne allerdings haben die Erkundungen der Feuchtgebiete auch in diesem Fall etwas mit Ökologie zu tun.

Helen Memel, 18 Jahre jung, erforscht die Ökologie ihres eigenen Körpers. Sie riecht und leckt an allem, was die Feuchtgebiete ihres Körpers so produzieren: Popel, Smegma und sehr viel Blut. Die Autorin beschreibt offen und tabulos Dinge, über die die meisten Menschen in der Öffentlichkeit nicht sprechen und geniert wegschauen.

Der gesamte Roman handelt von der angeblich überbewerteten Intimhygiene, Analverletzungen, Analverkehr, grenzwertigen Ideen anderen Menschen ihre Aussscheidungen unterzujubeln und fremde wieder aufzunehmen, und wagemutigen Experimenten bei der weiblichen Masturbation, für die Helen auch mal gerne einen Duschkopf oder einen ihrer geliebten Avokadokerne benutzt.

Das durch seinen grellen pinkfarbenen Umschlag auffällige Buch sorgt für Entsetzen aber auch extreme Neugier bei Jung und Alt. „Ich finde gut, dass jemand so offen darüber schreibt. So erfährt man wenigstens mal, was die Frauen wirklich denken und machen“, erklärte ein Schüler des 11. Jahrgangs.

Doch neben des vorhandenen Ekelfaktors und der sprachlichen Direktheit bei Tabuthemen provoziert die Autorin Charlotte Roche und macht ihre Abneigung gegen den heutigen Hygiene- und Rasurwahn sehr deutlich; Ihrer Meinung nach übertüncht Parfum bloß die körperlichen Lockstoffe, während der körpereigene Schweiß für die Zuneigung der Männerwelt verantwortlich ist.

Manch eine(r) liest dieses Buch ungeniert in der Straßenbahn, die Mehrheit verkrümelt sich wohl unter die Bettdecke mit einer Taschenlampe . Zum Glück kann man heutzutage die Bücher im Internet bestellen!