(20.01.2001 02:01)
Hamburg (dpa) – Sie sind jung, sie mögen Musik, sie experimentieren gern und wenn andere am Wochenende feiern, geht es gerade deswegen in ihrem Job erst richtig los: Zahlreiche DJs verdienen sich ihren Lebensunterhalt hinter den Plattentellern. Eine professionelle Discjockey-Szene wie in Hamburg finden deutsche Partygänger sonst nur noch in Berlin und München – finden zumindest die Clubmusikmacher der Hansestadt.
«Latin-House ist derzeit in Hamburg am angesagtesten», berichtet Henny Bordasch, vielen besser bekannt als «Lt. Henny». Der 26-Jährige arbeitete bei Airbus im Fluggerätebau, bevor er vor zwei Jahren seinen Job aufgab und sich voll aufs Auflegen in den Hamburger Clubs konzentrierte. Nebenbei holt er an der Abendschule sein Abitur nach. Vor dem elektronischen House-Trend sei «Latino-Kram» sehr gefragt gewesen. Inzwischen sind beide Musikstile miteinander verschmolzen, derzeit schwören die Hamburger DJs auf Latin-House. In den Wintermonaten, wenn keiner so richtig in Latino-Sommer-Stimmung ist, seien auch Hip-Hop-Elemente immer wieder vertreten.
Bis zu je 600 Mark geben die hauptberuflichen DJs der Hansestadt im Monat für neue Platten und Compact-Discs aus. «Allerdings geht der Trend immer mehr zur Platte und weg von der CD», sagt Axel Schröder alias DJ «A-Punkt». Die großen Scheiben seien viel besser in der Klangqualität und hätten insgesamt mehr Tiefe, meint auch «Lt. Henny». Mit Schallplatten könne man besser mixen und außerdem würden CDs über die großen Anlagen in den Discotheken und Clubs meistens sehr «trocken» und «oberflächlich» klingen. Henny verwendet inzwischen nur noch die Tonträger der älteren Generation.
Nach Ansicht der Szene haben sich in den vergangenen Jahren in der Hansestadt vier «DJ-Kategorien» entwickelt. «Zum einen der «moderierende DJ», sagt Patrick Berndt. Der 35-Jährige hat keinen Künstlernamen, macht zur Zeit eine Umschulung zum Mediengestalter und ernährt sich und seine Familie von seinen DJ-Jobs. Er legt hauptsächlich auf Hochzeiten, Firmenfesten oder anderen Privatpartys auf. «Moderierender DJ» ist er aber nicht. Denn der «tingelt über die Dörfer» und spielt alles. «Da kann dann auch schon Mal der Anton aus Tirol oder sowas dabei sein und das ist für uns als DJs tabu», sagt «Lt. Henny». Er legt nur Sachen auf, die ihm auch selbst gefallen.
Der «Mix-DJ» moderiert nicht, spielt aber querbeet fast alles – «allerdings nach unten gefiltert», so Patrick. Die unterste «Niveauschiene» würde dabei «durchs Sieb fallen». Hingegen spezialisieren sich die «Sparten-DJs» auf eine Musikrichtung. «Die verdienen aber oft weniger Geld als andere», erklärt Tobias Quartey alias «Joh F. Jackson». Der 23-Jährige ist Experte in Sachen Disco-Latino und Soulhouse im Stil der guten alten 70er Jahre. Seine Kollegen «Lt. Henny» und «A-Punkt» pflichten ihm bei: «Statt gutem Lohn dürfen sich die wirklich guten Sparten-DJs oft nur damit schmücken, in einem gerade richtig angesagten Club aufzulegen.»
Genau zwischen dem «Sparten-DJ» und dem «Mix-DJ» liegt das Arbeitsfeld des «Allrounders». Er greift auf aktuelle Hits und Party-Klassiker zurück, kann aber auch mal einen selbst gemixten House- oder Soul-Song auf den Plattenteller zaubern.
Chartlisten sind für Henny und Axel kein Thema. Wenn sie einen guten Grundbeat von der Platte in einen eigenen Mix einfließen lassen, «dann spiele ich es und es ist auch in den Charts. Ich lege es aber nicht auf, weil es auf irgendeiner Hitliste steht», sagt Henny. Mit das beste am Job sei, dass man als DJ Trends beeinflussen kann. Henny: «Man muss innovativ sein. Es ist das aller Größte, wenn man Sachen spielt, die die Leute nicht kennen und sie dann ankommen und fragen: Hey, was war das? Das muss ich haben.»