Gericht erlaubt Schülern Archiv-Zutritt für Zwangsarbeiter-Recherche

(16.06.2001 14:57)

Gersthofen (dpa) – Für Recherchen über NS-Zwangsarbeiter imZweiten Weltkrieg hat das Verwaltungsgericht Augsburg einer Schulklasse aus
dem schwäbischen Gersthofen den Zutritt zum Stadtarchiv erlaubt. Nach der am Montag veröffentlichten einstweiligen Verfügung (Az: 8E01.762) dürfen die Schüler aber kein Material verwenden, das schutzwürdige Belange Dritter berührt. Bürgermeister Siegfried Deffner hatte die Akteneinsicht verwehrt.
Die Schüler wollten ein umfassendes und objektives Bild von der Lage der Zwangsarbeiter in Gersthofen und Umgebung zeichnen, führt das Gericht aus. Dieser wissenschaftliche Zweck begründe ein berechtigtes Interesse an einem Archivbesuch. Gleichzeitig forderten die Richter aber, Schutzfristen des Persönlichkeitsschutzes einzuhalten. Archivgut, dass sich auf Menschen beziehe, dürfe erst zehn Jahre nach deren Tod benützt werden. Sei der Todestag nicht festzustellen, laufe die Schutzfrist erst 90 Jahre nach seiner Geburt ab.
Deffner hatte das Begehren der 11. Klasse abgelehnt, weil sie seiner Ansicht nach die Leute an den Pranger stellen wollten, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben. Dabei handle es sich vorwiegend um Landwirte, denen Arbeitskräfte zugewiesen worden seien, sagte der CSU-Politiker. Im Laufe der Auseinandersetzung wollte er der Klasse den Zutritt unter der Bedingung erlauben, dass sie sämtliche Namen anonymisieren. Dies hatte die Schulklasse abgelehnt.