Handy-Hersteller leben mit gespaltener Kundschaft

(24.03.2001 20:18)

Die weltweit führenden Handy-Hersteller müssen
mit einer sehr gespaltenen Kundschaft leben.

Von Justus Demmer

Hannover (dpa) – Die weltweit führenden Handy-Hersteller müssen
mit einer sehr gespaltenen Kundschaft leben. «Es wird zwei Arten von
Handy-Nutzern geben: »Zeit-Totschläger» und »Zeitsparer»», sagt der
Ericsson-Spitzenmanager Torbjörn Nilsson.

Dieser Einsicht scheint sich keiner der großen Hersteller auf der
Computermesse CeBIT in Hannover zu verschließen: An ihren Ständen
stehen digitale Muskelpakete mit E-Mailfunktionen, Internetzugang und
Farbbildschirmen neben Anwendungen, denen die Aufforderung «Spiele
mit mir» deutlicher anzusehen ist als «Telefoniere mit mir».

Ericsson beispielsweise zeigt eine Aufsteckkamera für das Handy,
eine Idee, die Gameboy-Benutzern bekannt vorkommen dürfte – dort
gehört ein Mini-Fotoapparat zu den beliebtesten Zusatzgeräten. Nokia
protzt mit 169 verschiedenen Gehäusefarben und animierten
Bildschirmschonern. Motorola bietet für die «Mikro-Langeweile» eine
Handy-Version von «Wer wird Millionär».

Andererseits weisen die Flaggschiffe aller Hersteller schon in die
Zukunft der Mobiltelefonie. «3G» heißt die Zauberformel der Branche,
die «3. Generation» der Funknetze im UMTS-Standard. Mobiles Internet
und mobiler Handel sind die Schlagwörter, um die sich die Hoffnungen
der Hersteller ranken. Schon 2003, so schätzt man bei Ericsson,
werden mehr Menschen mobil ins Internet gehen als über den
herkömmlichen Leitungsweg. Fast scheint es, als sei auf dem Weg
dorthin nur noch die Frage der Marktführerschaft ungeklärt.

Dabei haben die Handyproduzenten Grund zur Sorge: Die schwache US-
Konjunktur drückt den Absatz. Gewinnwarnungen und Entlassungen in den
Unternehmen waren die Folge. Und vor «G3» steht «G2,5» – der
ebenfalls schnelle, aber durch den Milliardenpoker um die UMTS-
Lizenzen in den Hintergrund gedrängte GPRS-Standard (General Packet
Radio Service). Während die Handy-Hersteller übereinstimmend
schätzen, dass UMTS schon im Jahr 2003 den Massenmarkt erreichen
wird, sehen bei einer Expertenumfrage der Zeitschrift «connect» mehr
als die Hälfte der Befragten 2006 als realistisches Datum an.

So versucht auf der CeBIT beispielsweise Motorola ausdrücklich,
die Vorteile von GPRS wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu
rücken. «Das ist eine Revolution für die mobile Kommunikation», sagt
Vizepräsident Mike Zafirovski. Als einziger Hersteller können die
Amerikaner gleich fünf GPRS-Geräte anbieten – mit dem ersten waren
sie schon 2000 auf der CeBIT. Die Netzbetreiber tun das Ihre, um
Werbung für «G2,5» zu machen: E-Plus will Ende des Jahres «i- Mode»
aus der japanischen Internetwelt nach Deutschland bringen. Der über
GPRS erreichbare virtuelle Marktplatz bietet Handy-Nutzern eine
Vielzahl von Möglichkeiten vom Bankgeschäft bis zum Online-Spiel.

Ob die bisherigen Angebote aber ausreichen, sowohl die «Zeit-
Totschläger» als auch die «Zeitsparer» zu Investitionen in Hardware,
sprich neue Handys zu bewegen, ist unklar. Erschwerend kommt hinzu,
dass die Netzbetreiber ihre Subventionen für Mobiltelefone reduzieren
wollen, die Preise für den Endverbraucher also steigen. Aber Bange
machen gilt nicht, lautet die auch von Motorola-Chef Robert L.
Growney verbreitete Botschaft an den Ständen der CeBIT: «Die
Industrie steht an einem Scheideweg. Aber die Menschen haben das
Bedürfnis, zu kommunizieren.»