In Mathe war er nicht so fit

(04.02.2006 15:11)

Eines vorweg: Dem Freistaat Bayern fehlen langsam die Lehrer. Das ist bekannt – und daher sind Quereinsteiger durchaus willkommen. Unter bestimmten Bedingungen, denn eine ganz eigene Auffassung vom Quereinstieg in den Schuldienst hatte nun allerdings ein Mann im Landkreis Bayreuth. Im Juni 2002 wurde der heute 39-Jährige an der Jacob-Ellrod-Realschule in Gefrees für die Fächer Mathematik, Informatik und Sport eingestellt.

Ein Glücksfall, glaubte man an der evangelischen Ganztagsschule. Mathelehrer sind rar. Es heißt, der Mann sei überaus sympathisch gewesen. Er soll die EDV der Schule auf den neuesten Stand gebracht haben, ein richtiger Experte. Gut, gerade in Mathe habe er schon einige Wissenslücken gehabt. Manchen Kollegen habe das gewundert. Aber kann ja vorkommen, wenn man länger nicht unterrichtet hat. Dumm nur, dass er zuvor überhaupt noch nie unterrichtet hatte. Ja, dass er nie auch nur eine Vorlesung in Pädagogik gehört hat, geschweige denn ein abgeschlossenes Lehramtsstudium besitzt. Und auch kein Diplom als Förster, Mathematiker oder Meteorologe. Der neue Kollege, so stellte sich jetzt heraus, war schlicht ein Hochstapler, ein Betrüger. Seine Urkunden waren gefälscht. Recht gut anscheinend, denn die beglaubigten Dokumente, darunter eine Kopie über die Zweite Staatsprüfung, lagen auch dem Kultusministerium vor, das die Einstellung genehmigte. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft in dem Fall.

Aufgeflogen war der falsche Lehrer, der vor seinem Schuldienst ein Fitnessstudio geleitet haben soll, durch den „Hinweis“ einer Frau. Die Frankenpost berichtet, im Umfeld der Schule werde von einer ehemaligen Geliebten des Mannes gesprochen. Nachdem der vermeintliche Lehrer die daraufhin geforderten Originale der Zeugnisse nicht vorlegen konnte, wurde er suspendiert. Zurück bleiben Fragen: Können Schüler, die mit schlechten Noten vom falschen Lehrer durchgefallen sind, die Beurteilung anfechten? Und wer lehrt künftig in Bayern?

Hintergrund: Einer Pensionierungswelle folgt im Freistaat bis 2013 eine Lehrerebbe: Zu wenige Studierende werden bis dahin ihr Lehramtsstudium abgeschlossen haben. Der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) hat ausgerechnet: Für 28 000 zu besetzende Stellen in den kommenden fünf Jahren gibt es in Bayern nur 20 000 Uni-Absolventen. Was also tun? Der Freistaat hat sich schon im Nachbarland nach geeigneten Kandidaten umgesehen. Österreichische Lehrer an bayerischen Schulen – früher undenkbar. Auch Quereinsteiger werden umworben. Förster dürfen Biologie unterrichten, Ingenieure pauken mit Kindern Mathe, auch Chemiker und Meteorologen dürfen in die Klassenzimmer. Aber sie brauchen ein Diplom.

VON IRIS HILBERTH, in: Frankfurter Rundschau online vom 04.02.2006