Plastikgummibaum

von unserem Redakteur Steffen Engelbrecht (09.10.2010)

Grün, grün, grün sind alle meine Kleider. Grün, grün, grün ist alles was ich hab‘. Warum lieb‘ ich alles was so grün ist? Weil mein Mann ein Kunstblumenhersteller ist.

staubig durstig

So oder etwas anders lautet wohl der Kinderklassiker bei allen Freunden der Plastikflower Power. Darüber hinaus gibt es in Wirklichkeit wohl keinen Menschen auf der Welt, der wenigstens einen grünen Daumen hat. Somit ist der Hang zur Polymerbegrünung doch eigentlich nur logisch. Allen Hobbygärtner und Anhängern der photosynthesefähigen Pflanze soll gesagt sein: Kunstblumen und -pflanzen sind pflegeleichter, robuster, bunter und auf Dauer viel billiger.

Der japanische Ahornbaum bedarf bekanntermaßen viel Pflege. Nicht so, wenn er immer genau 70 Zentimeter hoch, genau 48 Zentimeter breit und der Stamm sowie die exakt 1648 Blätter aus Kunststoff sind. Eine Augenweide für jedes Wohnzimmer und garantiert blattlaussicher. Auch das normalerweise benötigte japanische Klima ist gänzlich irrelevant. Von Kapstadt bis nach Spitzbergen bringt er japanisches Flair in jedes Wohnzimmer.

 
 wahre Kunst  

Wo bei echten Pflanzen immer noch ein heißer Kampf um Gentechnik und Manipulation des Samenguts herrscht, ist der Kunstblume keinerlei Grenze gesetzt. Wer es mag, hängt an seinen japanischen Ahornbaum einfach gelb-pink karierte Äpfel oder kauft sich ein Veilchen in Übergröße. Auch die perfekte Narzisse ist kein Abbild einer verfälschten und perfektionierten Natur, sondern schön anzusehen und außerdem robust sowie pflegeleicht.

Das Zittern, ob die Zwiebel im nächsten Frühling wieder treiben wird, hat ein Ende, denn der pfiffige Polymergärtner ist für jede Jahreszeit gewappnet. Ohne Umschweife kann er kurz vor Ostern seine 32 Jahre alte Narzisse aus dem Schrank holen, die direkt neben den Silikonkartoffeln steht, welche im Herbst den Küchentisch zieren.

Die Kunstpflanzen sind aus dem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. In der Präsenzbibliothek des waldrich-dominierten Goethe-Gymnasiums thronen nun ebenfalls Plastikblümchen neben Plastikgummibäumen. So wird auch die Schule von innen schön grün. Das Einzige, was Kunstblume und Naturschöpfung gemeinsam haben, ist der Bedarf an Wasser. Dazu Reinhard Mey: „Der Mörder ist immer der Entstauber.“