(09.02.2001 19:51)
Leipzig (gms) – Einmal im glitzernden Tutu-Röckchen und seidigen Spitzenschuhen über die Bühne schweben – fast jedes Mädchen träumt wohl irgendwann von der Ballettkarriere. Vor zehn Jahren bescherte die Fernsehserie «Anna» deutschen Ballettschulen tausende von Neuanmeldungen. Doch der klassische Tanz ist bei jungen Mädchen auch heute noch beliebt wie eh und je.
Auch Ulrike Hillemann wünschte sich vor fünf Jahren nichts sehnlicher, als Primaballerina zu werden. Mittlerweile ist dieser Kindheitswunsch für die Leipzigerin aber nur noch Erinnerung: «Irgendwann wurde mir klar, dass mir die Ausbildung zur Profitänzerin viel zu stressig wäre. Jetzt ist das Ballett mein schönstes Hobby.»
Die 17-Jährige ist vor allem fasziniert von den graziösen Bewegungen. Anders als ihre 14-jährige Schwester Frauke hat sie nicht den Schritt zur Profikarriere an der Leipziger Oper gewagt: «An ihr sehe ich, dass Ballerina die stressigste und härteste Ausbildung ist, die man sich überhaupt vorstellen kann.»
Die Strapazen des Profitanzes erlebt auch Iskra Zankova jeden Tag aufs Neue. Die Präsidentin den Deutschen Ballettrates war früher Primaballerina und arbeitet heute als Ballettlehrerin. Trotz der anstrengenden Übungen würde sie ihre Leidenschaft am liebsten als allgemeines Fach an den Schulen einführen: «Es gibt einfach keine bessere Sportart. Ballett hat für alles etwas zu bieten: Muskeln, Knochen, Kopf, Musikalität und Konzentration.»
Manchmal ärgert sich die gebürtige Bulgarin, warum nicht mehr Eltern ihre Kinder zum Ballett anmelden: «In dieser Null-Bock-Generation sollte es viel mehr Mütter geben, die Anleitungen geben. Niemand will sich mehr anstrengen.» Ballett sei zwar nicht nur Spaß, sondern auch jede Menge Arbeit. «Aber wer gesund ist, über gute körperliche Proportionen verfügt, seine Musikalität schulen möchte und dann auch noch Lust am Tanzen hat, für den ist Ballett fast schon Pflicht», erklärt Zankova.
Doch wann entscheidet sich, ob das klassische Ballett Traum, Hobby oder doch Berufung ist? «Wer Profitänzerin werden möchte, muss über eine gehörige Portion Biss und jede Menge Ehrgeiz verfügen», empfiehlt die Ballettratspräsidentin. Die fast achtjährige Ausbildung sei kein Zuckerschlecken. «Aber mit Disziplin und konsequenter Arbeit können es Mädchen und Jungen zur Weltspitze schaffen», so Zankova.
Bei den meisten Ballettschülern entscheidet sich in der Pubertät, ob sie bei der Stange bleiben. Für viele Teenies treten dann neben dem Tanzen andere Interessen in den Vordergrund. Wer aber beim Ballett bleibt, für den wird es oft eine Ausgleichssportart fürs Leben. «Kaum ein anderer Sport bietet ein so gutes Körpergefühl», erläutert Christa Optenhöfel vom Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik (DBFT).
Ihr Verband schaut den Tanzschulen sorgsam auf die Finger: «Einige Schulen stellen die Mädchen schon mit sechs Jahren auf die Spitze. Das ist absoluter Frevel. Unsere Mitglieder dürfen nicht vor zehn Jahren mit der Spitzentanzausbildung anfangen.» Der DBFT und der Ballettrat helfen auch Rat suchenden Eltern, die unsicher sind, ob der klassische Tanz für ihr Kind das Richtige ist.
Laut Optenhöfel kann mit dem Tanzen schon im Vorschulalter begonnen werden: «Am Anfang sollte immer die klassische Ausbildung stehen. Ihre Disziplin hilft auch ungemein in der Schule.» Darüber hinaus verbessere Ballett die Haltung und das Auftreten. Ein Vorteil, der auch schon bei Vorstellungsgesprächen von Nutzen gewesen sei.
Wer Ballett zu seinem Hobby machen möchte, sollte ein bis zwei Übungsstunden pro Woche einplanen. «Zu den Trainingskosten, die im Monat um die 90 Mark liegen, kommen dann noch Kleidung und Schläppchen», erklärt Optenhöfel. Sie und Iskra Zankova sind sich einig, dass guter Ballettunterricht keine Folgeerscheinungen wie Knochenschäden oder gar Magersucht hat. «Balletttänzer achten sogar mehr auf ihren Körper. Beim Tanz fehlen jegliche Kampfelemente, die jede andere Sportart gefährlich machen», wirbt Zankova.
Auch Ulrike Hillemann könnte sich ihre Woche ohne den Ballettunterricht nicht mehr vorstellen: «Abends gehe ich glücklich und geschafft nach Hause.» Und ihre Trainingsfreundin Susanne Falk fügt schmunzelnd hinzu: «Meine Träume von der Primaballerina habe ich zwar aufgegeben. Aber mit dem Ballett könnte ich niemals aufhören.» Schließlich seien die Körperbeherrschung und die Konzentration zur Musik «wie eine schöne Sucht».
Informationen über Schulen erteilen der Deutsche Tanzrat/Ballettrat, Graurheindorfer Straße 23, 53111 Bonn (Tel.: 0228/63 35 78) sowie der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik (DBFT), Hollestraße 1, 45127 Essen (Tel.: 0201/22 88 83).