Prinzipienlosigkeit auf breiter Front?

(28.02.2006 19:45)

Mit unversöhnlichen und umfassenden Attacken auf Kritiker der dänischen Mohammed-Karikaturen im eigenen Land hat der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen nach dem Abebben der islamischen Protestwelle eine Gegenoffensive eingeleitet. Nachdem sein Land durch weltweite Protestaktionen mit mindestens 45 Toten, gewaltsamen Botschaftsbesetzungen und Flaggenverbrennungen in seinen Grundfesten erschüttert wurde, wirft der Kopenhagener Regierungschef nun Medien, Intellektuellen und Unternehmen Kapitulationsverhalten sowie „Prinzipienlosigkeit auf breiter Front“ vor.

Vorbereitung auf den „Kampf …

Umgekehrt vermochte Rasmussen in einem großen Sonntags-Interview mit der Zeitung „Berlingske Tidende“ keinen Grund dafür zu sehen, seine betont harte Ausländerpolitik zu überdenken. Und auch zum überaus scharfen dänischen Debattenklimas in Sachen Islam und Zuwanderung meinte er: „Die Debatte bei uns läuft im Wesentlichen nicht anders als anderswo.“

Genau das aber war der Kern der innerdänischen Kritik, als „Jyllands-Posten“ mit den provokativen zwölf Mohammed-Zeichnungen eine „Tendenz zur Selbstzensur“ gegenüber dem Islam „testen“ wollte. Pubertär und nur mit Blick auf die kleine, ungeliebte islamische Minderheit habe Dänemarks größte Zeitung hier provoziert und international Sturm mit gefährlichen globalen Konsequenzen geerntet, meinte etwa Ex-Außenminister Uffe Ellemann Jensen aus Rasmussens eigener rechtsliberaler Partei „Venstre“.

…der Kulturen“?

Mit Stimmen aus dieser Richtung rechnet der Ministerpräsident jetzt in beispielloser Schärfe ab. Leitartikel des liberalen Blattes „Politiken“ hätten ihn an den April 1940 erinnert, als man sich in Dänemark beim Einmarsch des nationalsozialistischen Deutschland nach allgemeiner Auffassung „einfach plattlegen sollte“. Bei Schriftstellern, die gegen die harte Ausländerpolitik protestiert hatten, vermutet Rasmussen Hass als wichtigstes Motiv beim Streit um die Mohammed-Zeichnungen: „Sie können die (mit der Regierung kooperierende und ausländerfeindliche) Dänische Volkspartei nicht leiden, sie können Jyllands-Posten nicht leiden, und sie können die Regierung nicht leiden.“ Wegen dieses „an Hass grenzenden“ Grundgefühls hätten die Schriftsteller sich auf ihrem „hohen Parnas“ dann nicht zur Verteidigung der Meinungsfreiheit aufraffen können.

Auch Kritiker aus dem Industrieverband und Unternehmenschefs, die sich vor dem Hintergrund von Boykottaktionen gegen dänische Produkte kritisch über Provokationen von Muslimen geäußert hatten, bekamen ihr Fett ab. Steuerminister Kristian Jensen erklärte in der Zeitung „Berlingske Tidende“ (Dienstag): Ich meine, dass Teile des Wirtschafslebens in dieser Angelegenheit wirklich den Profit vor die Prinzipien gesetzt haben.“ Generell, so Rasmussen, habe sich für ihn beim Mohammed-Konflikt im eigenen Land „die Spreu vom Weizen getrennt“.

Nach Meinung der Kopenhagener Zeitungskommentatoren will die Regierung mit dieser für viele verblüffenden Härte beim eigenen Wählervolk gewisse Eindrücke vom Höhepunkt der Krise vergessen machen. Während täglich zehntausende Muslime zwischen Djakarta und Tunis gegen das kleine Dänemark demonstrierten, hatte ein höchst verbindlich lächelnder Rasmussen live in arabischen TV-Sendern erklärt, er würde persönlich nie und nimmer Karikaturen veröffentlichen, mit denen man religiöse Gefühle anderer verletzen könnte.

newsroom.de vom Dienstag, 28.02.2006, 15:21