Regierung akzeptiert Caroline-Urteil

(03.09.2004 01:56)

Trotz des massiven Drucks deutscher Medien will die Bundesregierung das „Caroline-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Prominenten-Fotos akzeptieren. Gut zwei Monate nach der Verkündung der Straßburger Entscheidung beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch, keine Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Zahlreiche Verlage und Rundfunkanstalten hatten die Regierung aufgefordert, die Große Kammer des Straßburger Gerichtshofs anzurufen. Dann hätten 17 europäische Richter über die Klage von Prinzessin Caroline von Monaco gegen die Veröffentlichung von Fotos aus ihrem Privatleben zu entscheiden.

Zur Begründung verwies Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) darauf, dass auch nach dem Urteil insbesondere die Berichterstattung über Fehlverhalten von Politikern weiter möglich sei. Außerdem habe die Entscheidung der Europa-Richter „keine bindende Wirkung für die Gerichte in Deutschland“. Sie sei lediglich „ein Beitrag zur Diskussion, wie die Grenzen zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht verlaufen“. Es bleibe dabei, dass juristisch in Deutschland das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort habe, auch wenn sich die hiesigen Gerichte mit dem Straßburger Urteil auseinandersetzen müssten.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) appellierte an die Regierung, ihren Beschluss zu korrigieren. „Das Urteil ist letztendlich ein Freibrief für Zensur“, sagte ein Sprecher des BDZV. Wenn über Fehlverhalten von Personen der Zeitgeschichte wie prominente Schauspieler, Sportler, Künstler sowie Politiker und Repräsentanten der Wirtschaft nicht mehr umfassend und schonungslos berichtet werden dürfte, sei die Wächterfunktion der Presse ad absurdum geführt.

Dagegen begrüßte der Hamburger Medienanwalt Matthias Prinz, der das Urteil erwirkt hatte, die Kabinettsentscheidung. „Dieses Urteil ist von vielen missverstanden worden, die sich dagegen gewehrt haben“, sagte Prinz der dpa. „Es schützt allein die Privatsphäre, und zwar von Prominenten und Nicht-Prominenten.“ Der investigative Journalismus in Deutschland werde durch das „Caroline-Urteil“ nicht behindert.

Der Europäische Gerichtshof hatte im Sommer nach elfjährigem Rechtsstreit Caroline von Monaco Recht gegeben. Sie hatte sich gegen die Veröffentlichung von Fotos aus ihrem Alltagsleben in mehreren deutschen Illustrierten gewandt, die noch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als rechtmäßig eingestuft hatte. Die Fotos waren ohne ihr Wissen und ohne ihre Einwilligung aufgenommen worden und zeigten sie unter anderem beim Einkaufen und beim Reiten.

Im Gegensatz zum obersten deutschen Gericht waren die Straßburger Richter der Auffassung, dass es für die Veröffentlichung keine Rechtfertigung gebe, weil die Bilder die Prinzessin nicht in ihrer öffentlichen Funktion zeigten. Es hatte damit die Reichweite der Pressefreiheit wesentlich enger ausgelegt als die Karlsruher Richter.

Zypries betonte, dass „manche Behauptung“, man dürfe nicht mehr über Fehlverhalten von Politikern berichten, „jeder Grundlage entbehrt“. Die Berichterstattung könne auch den „privaten Bereich“ von Politikern betreffen. Insofern könne man sicherlich nicht dem Kabinett den Vorwurf machen, es wolle Politiker besonders schützen, indem es das Urteil akzeptiere. Auf der anderen Seite sei aber im Kabinett durchaus die Tatsache „zur Kenntnis genommen worden, dass die Entscheidung die Persönlichkeitsrechte stärkt“.

Die Bundesjustizministerin räumte ein, dass die Bundesrepublik auf längere Sicht gesetzgeberisch handeln müsse, wenn die Rechtsprechung deutscher Gerichte und die des Europäischen Gerichtshofs weiter nicht im Einklang stünden. Es gebe eine entsprechende völkerrechtliche Verpflichtung Deutschlands.

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Mittwoch, 01.09.2004, 15:27