Wir schauen weg!

Von unserem Redakteur Schahin Saket (24.05.2008)

„Sie gingen zu acht auf ihn los. Alle gleichzeitig. Der Junge in der Mitte war vollkommen wehrlos.
Sie fingen mit Tritten an und darauf folgten heftige Schläge.
Ich stand perplex da und im nächsten Moment sah ich mein Freund in die Menge hineinrennen um zu helfen. Ich folgte dann natürlich, obwohl mich die Angst überkam.

Helfen statt wegsehen!

Ich schrie sie alle nur an um sie zu Vernunft zu bringen. Selber die Schläger fest- oder auseinander halten, das hätte  ich ohnehin nicht geschafft. Aber keiner von den Umstehenden, und dabei standen da eine Menge Leute, griff ein. Nein, ganz im Gegenteil, sie begannen die Typen anzufeuern und jubelten, als ob sie neben einem live übertragenen Boxkampf stehen würden!“, so Ramona H., eine Schülerin aus der 11. Klasse.

Es war gegen Nachmittag, als Ramona H. und ihr Freund sich gerade auf den Heimweg machten und dabei auf eine Schlägerei Acht gegen Einen trafen. Der Vorfall geschah am Dienstag, den 06. Mai im Kasseler Auepark. Ramona und ihr Freund griffen in eine heftige Schlägerei, deren Grund nicht bekannt ist, ein und bewiesen somit Zivilcourage.

Ramonas und das Verhalten ihres Freundes sind Ausnahmen. Ausnahmen, die einem Opfer das Leben retten könnten und Ausnahmen, die Täter vielleicht von weiteren Delikten abschrecken würden. Zivilcourage ist eine sehr selten anzutreffende Tugend, doch stellt sich die Frage nach dem Warum?

Vermutlich sind wir zu einer ignoranten Gesellschaft entartet, in der Egoismus und Ignoranz an oberster Stelle stehen. Oder sind wir einfach nur zu ängstlich und vorsichtig, so dass Wegschauen und Nichtbeachten eine bessere Lösung sind, als sich mit dem Problem zu konfrontieren? Vielleicht sind wir aber auch eine sensationsgeile Gesellschaft geworden in der wir Schlägereien anhimmeln und uns Schmerzen anderer unterhalten! 

 
 Gewalt ist keine Lösung  

Ramona: „Ich denke, dass der Grund warum viele Menschen nicht eingreifen, teils die Angst und teils die Alltäglichkeit ist. Menschen ignorieren regelrecht solche Schlägereien, da diese Teil unseres Alltags geworden sind. Es ist ihnen nicht wirklich egal, aber es schockt sie schon nicht mehr. Außerdem handeln die meisten aus Angst nicht, so dass es als Ignoranz abgestempelt werden könnte, aber eher an der Angst selbst liegt.“

Viele wissen dennoch nicht, wie sie sich verhalten sollen in solchen Situation, und wie sie somit die Angst überwinden könnten. Herr Röther, Kriminalkommissar bei der OPE-Kassel, gab in einem Interview hilfreiche Tipps: „Das Verhalten in Gefahrensituation ist immer unterschiedlich und hängt von vielen Komponenten ab. Die für uns am meisten auftretenden Situationen sind Schlägereien und Diebstahl. Das oberste Gesetz ist immer die eigene Sicherheit zu gewähren. Als nächstes sollte man bei größeren Prügeleien immer die Polizei konsultieren. Man sollte ebenfalls beachten nicht zwischen eine Schlägerei zu geraten und somit vom Zeugen zum Opfer werden, sondern eher indirekt das Geschehen beeinflussen.

Als Zeuge muss man versuchen das Opfer vom Geschehen wegzubekommen ohne dabei Kontakt zum Täter aufzunehmen. Sprüche wie: „Komm doch endlich, deine Eltern warten!“ sind sehr hilfreich, denn so was beängstigt und verdutz den Täter. Hinzu kommt das man sich zusätzlich immer Hilfe von anderen Zeugen holt, diese aber persönlich anfragen muss. Unpersönlichkeit spricht keinen an und niemand hilft einem, sodass man im Endeffekt allein da steht.Was man keines Falls tun soll, ist wegschauen!“

Wenn wir alle diese Tipps beherzigen würden. wäre doch schon mal ein Stück mehr Zivilcourage in unserer Gesellschaft etabliert. Das Fremdwort Zivilcourage muss zu einem Alltagsbegriff in unserem Leben werden! Schließlich benötigen wir alle ein Mal die Hilfe des anderen und den Mut oder, um es passender auszudrücken, die Courage von jemandem, um uns aus einer verzwickten Situation zu retten. Oder etwa nicht?