(08.12.2001 00:22)
Süßer die Glocken nie klingen, als in der Weihnachtszeit. Ja, es ist Weihnachten! Das Fest der Liebe steht uns wie jedes Jahr kurz bevor.
Besinnlichkeit hält Einzug. Man erträgt das Leben mit einem Lächeln auf den Lippen, denn schließlich werden Liebe und Lebensfreude nun wieder groß geschrieben.
Samstagnachmittag
Frequenz 91,00 kHz: „Jingle bells, jingle bells, jingle all the way…“ – Senderwechsel.
Frequenz 106,00 kHz: „…ich dreh hier schon seit Stunden, hier so meine Runden, ich finde keinen Parkplatz….“ – Wie recht das Radio doch hat.
Das alte Geld muss weg …
Festlich ist das Einkaufszentrum geschmückt. Ein Hauch des vorweihnachtlichen Zaubers erfasst jedermann. Weihnachten, das Fest der Liebe und der Blechlawinen vor den Einkaufszentren. Ein Parkplatz ist ein Luxus, der nur einem elitären Zirkel von einkaufswütigen Weihnachtskunden vorbehalten ist. Schon die Einfahrt zum Parkplatz ist mit einem großen Knäuel motorisierten Metalls verstopft. Weihnachtlich gestimmte Menschen hupen sich fluchend an, zeigen sich wild obszöne Gesten und glauben alle an ihr Exklusivrecht auf Vorfahrt und einen Parkplatz.
20 Meter voraus taucht plötzlich wie aus dem Nichts eine Frau auf, die zielstrebig auf ihr Auto zugeht. Sofort erkennen drei Autofahrer zugleich das Ziel und nehmen die Verfolgung auf, um den potentiellen Parkplatz zu erobern. Ohne Rücksicht auf Verluste und auf Verkehrsregeln versucht ein jeder, das Rennen um den begehrten Abstellplatz für das eigene Fahrzeug zu gewinnen. Wie sich anknurrende Hunde stehen die drei Parkplatzaspiranten mit aufheulenden Motoren vor dem Wagen der Frau. Doch: Fehlalarm! Nur das Portemonnaie vergessen.
Ein altes Ehepaar nähert sich mit gefülltem Einkaufswagen ihrem Auto. Ein wild gestikulierender Oberklassewagenfahrer führt sich im Parkbereich A als Platzhirsch auf und vertreibt in weihnachtlichem Übermut alle Konkurrenten durch seine Gebärdensprache. Als das alte Ehepaar schließlich die Parklücke verläßt, schießt aus dem toten Winkel des Oberklassewagenfahrers ein Mittelklassewagen hervor, der ebenfalls parktechnische Ansprüche stellt. Nun beginnt ein Ritual, welches für diese Jahreszeit symptomatisch ist. Wütend steigen die beiden Kraftfahrgockel aus ihren fahrbaren Untersätzen. Mit bestimmten Schritt gehen sie aufeinander zu. Man plustert sich auf, die Brust ist raus und die Nackenhaare sind aufgerichtet. Die Sekundanten stehen sich gegenüber und eröffnen das Feuer der Beleidigungen und Rechtfertigungen, warum gerade sie das Anrecht auf den Parkplatz hätten, als sie bemerken, dass ein Dritter die Gunst dieses Duells genutzt hat. Die Parklücke ist wieder besetzt.
Mit der Beharrlichkeit eines Sisyphus ziehen die beiden unverrichteter Dinge davon. Denn schließlich könnte jeden Moment ein weiterer Parkplatz frei werden, der nur darauf wartet, neu belegt zu werden. Es wird langsam dunkel, Schneeflocken fallen plötzlich vom Himmel und die Festbeleuchtung erstrahlt in feierlichem Glanz. Orientierungslose Menschen streifen zwischen den Autos und streitenden Mitmenschen auf der Suche nach ihrem eigenen Auto umher. Der Geist der Weihnacht erfüllt alle Herzen. Doch ein Wunsch bleibt wohl allen Anhängern des Festes verwehrt: eine problemlose, friedliche und nervenschonende Parkplatzsuche.
Trotz allem: Frohes Fest!