Aufklärung tut Not

Von unserer Redakteurin Julia Pfannkuch (11.02.2006 14:37)

Was bedeutet uns eigentlich der 15. Februar? Wenn man eine Umfrage starten würde, bekäme man sicherlich Antworten wie: Mmh,… Valentinstag ist doch am 14. Februar? “ oder „Mist, jetzt habe ich doch beinah einen wichtigen Termin vergessen.“ Doch eine Suche im Internet führt zu einer ganz anderen Antwort: Der 15. Februar war der 225. Todestag von Gotthold Ephraim Lessing, einem der größten Aufklärer der 18. Jahrhunderts.

Gotthold Ephraim Lessing, geb. 22.1.1729 , gest. 15.2.1781

Gotthold Ephraim Lessing wurde am 22. Januar 1729 in Kamenz (Oberlausitz) als zweites Kind des Pastors Johann Gottfried Lessing geboren. Nachdem er von 1737 bis 1741 die Lateinschule und anschließend die Fürstenschule in Meißen besucht hat, nahm er 1746 ein Theologiestudium an der Universität in Leipzig auf. Doch schon bald lenkte sich sein Interesse auf Theater und Literatur und er verfasste erste Gedichte, Fabeln und Versdichtungen.

Auf der Flucht vor einigen Gläubigern erreichte er 1748 Berlin und entschloss sich endgültig den Beruf des Schriftstellers zu ergreifen. Neben Rezensionen und Gedichten schrieb er auch seine ersten Theaterstücke „Die Juden“ und „Der Freigeist“. Nach einem Konflikt am Hofe Friedrich II mit Voltaire ging er nach Wittenberg und promovierte 1752 zum Magister der Philosophie. Nach einigen Episoden wendete er sich wieder dem Schriftstellertum zu und veröffentlichte die ästhetische Abhandlung „Laokoon“ und 1767 „Minna von Barnheim“. Sein Projekt, aus dem Hamburger Theater eine Institution nationaler Kultur zu machen, scheiterte dagegen kläglich aus finanziellen Gründen. Aber er erhielt eine Stelle in der berühmten Bibliothek in Wolfenbüttel, was seinem Traum Bibliothekar an der königlichen Bibliothek in Berlin zu werden, schon sehr nahe kam.

In Vergesssenheit geraten?

Die Veröffentlichung der Manuskripte des verstorbenen Orientalisten Hermann Samuel Reimarus, die Teil einer Schutzschrift für die vernünftige Verehrung Gottes waren und die Genese des Christentums als Betrug der Apostel Christi darstellte, stieß jedoch sofort auf heftige Kritik, und es entstand eine öffentliche Kontroverse zwischen Lessing und dem Hamburger Hauptpastor Goeze. Erst durch ein Verbot des Braunschweiger Herzogs wurde diese Diskussion abrupt beendet. Lessing verfolgte nun die Idee, ein Theaterstück über eben diese Problematik zu verfassen.

Das dramatische Gedicht „Nathan der Weise“, welches zur Zeit der Kreuzzüge in Jerusalem spielt, handelt von dem Wahrheitsanspruch der Religionen, wobei das Kernstück die Ringparabel ist, welche die Frage nach der wahren Religion beantwortet. Der Appell der Ringparabel fordert Toleranz und humanitäres Verhalten als die wahre Glaubensgrundlage und nicht die einzelne Religion wie Judentum, Christentum oder den Islam.

Eine kleine Nation wird abgestraft

Der Nathan, der allen Abiturienten schon mehr oder weniger freiwillig begegnet ist, zeigt gerade in der jetzigen weltpolitischen Situation, wie aktuell diese Problematik ist. Der Wahrheitsanspruch der Religionen und die Intoleranz gegenüber anderen Religionen führt immer wieder zu Auseinandersetzungen und Krieg. Genau den selben Anlass erleben wir aktuell. Warum kam es zu den Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen? Wieso gab es als Folge dessen Demonstrationen und Angriffe der Muslime gegen dänische Institutionen? Lessing erkannte als Vertreter der Aufklärung schon frühzeitig die religiösen, sozialen, also auch politischen Konfliktlinien seiner Zeit, der Zeit des allmählichen Niederganges des Feudalismus. Wahrscheinlich würde er sich im Grabe herumdrehen, wenn er sehen könnte, dass die Menschen nichts dazugelernt haben und seine Gedanken offensichtlich sogar in Vergessenheit geraten.

Der vor kurzem verstorbene, ehemalige Bundespräsident Rau mit Gattin am Grab von Lessing

Er kämpfte, bis er schließlich am 15. Februar 1781 verstarb, für das gleiche Recht aller Religionen und das friedliche Zusammenleben von Juden, Christen und Muslime. Vielleicht sollte vor dem Hintergrund des „Karikaturenstreits“ ernsthafter ein Blick in die Vergangenheit erfolgen, indem wir einfach Lessings Appell nach humanitärem Verhalten und Toleranz – auch gegenüber anderen Religionen – folgen. Denn einer seiner bedeutendsten Sätze und der Wahlspruch der Aufklärung lautete: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (Was ist Aufklärung?, 1784)