Braune Geister im schwarzen Gewand

(20.05.2002 01:17)

Die Ausbreitung des Neofaschismus ist ein Problem, über das in in den letzten Jahren auf Grund menschenverachtender Anschläge nicht nur diskutiert wurde, sondern durch breite Aktionen in den Medien und auf der Straße reagiert wurde. Wenn man an Neo-Nazis in der heutigen Zeit denkt, erinnert man sich an baseballkeulenschwingende Glatzköpfe, die durch die Straßen rennen und wahllos auf Unschuldige einschlagen – ein Bild, das jeder sofort vor Augen hat.

Wave-Gothik-Treffen 2002

Leider ist die Realität nicht ganz so einfach: Eine neue Strategie der Nazis versucht eine gesellschaftlich akzeptierte Jugendkultur herauszubilden, um von ihrer Rechtsaußenposition die Mittelschichten der deutschen Gesellschaft zu erreichen. Popmusik, erkannten sie, ist dabei das ideale Instrument um an Jugendliche heranzutreten. Diese Strategie bezeichnen die Neo-Nazis als Kulturkampf.

Wave-Gothik-Treffen 2002

Wenn über Pfingsten das 11. „Wave-Gothik-Treffen“ in Leipzig als weltgrößtes Festival dieser Art mit ca. 18 000 Besucher und rund 150 Bands aus der ganzen Welt erfolgreich beendet worden sein wird, wird auch die rechte Bewegung ebenso erfolgreich neue Kontakte geknüpft haben, wie es die Gruppe „Grufties gegen Rechts“ sinngemäß geäußert hat.

Denn als neuestes Ziel haben die Neo-Nazis nach misslungenen Versuchen in der Techno- und Hip-Hop-Szene – allerdings auch gelungenen Versuchen bei Rockern und Skinheads – die schwarze Szene ausgewählt. Hier haben sich einige Bands, z.B. „Death in June“, „von Thronstahl“und „Waldteufel“ etabliert, die durch den Umgang mit faschistischer Ästhetik – teils willentlich, teils aus purer Dummheit – ein rechtes Weltbild verbreiten. Dieses wird von vielen Jugendlichen unreflektiert übernommen, da es an vorhandene Interessen wie dem Heidentum und germanischer Mythologie anknüpft. Anklang finden sie auch deshalb, da es von den Bands keine eindeutigen, neonazistischen Aussagen wie „Ausländer raus! “ gibt. Vielmehr wird eine germanische Volksgemeinschaft hochstilisiert, die sich an der Ideologie des Dritten Reiches orientiert.

Wave-Gothik-Treffen 2002

Blickt man jedoch hinter die Kulissen, werden Verbindungen dieser Bands mit der inneren Neonazis-Szene deutlich, auf deren Labels sie teilweise vertrieben und promoted werden. Als Beispiel kann dabei der VAWS (Verlag und Agentur Werner Symarek) genannt werden, der durch diverse Sampler mit teils rechten wie weiteren Grufti-Bands und einem Stand auf dem letzten Wave-Gothic-Treffen (WGT) auf sich aufmerksam machte. Dieser Vertreiber harter Nazi-Literatur hat schon mehr als einen Versuch unternommen, sich in der Grufti-Szene zu etablieren. Das Ideologieblatt der Neonazis, die „Junge Freiheit“, berichtet immer wieder wohlwollen über diese Bands, aber auch über nicht rechtsorientierte Grufti-Bands als Teil der Vereinnahmungsstrategie. So wurden z.B. „Deine Lakaien“ und „Qntal“ wiederholt sehr positiv rezensiert.

Wave-Gothik-Treffen 2002

Neo-Nazis berufen sich immer gerne auf die Meinungsfreiheit, die eine Grundlage der Demokratie sei. Dies ist auch ein häufiges Argument von jungen Menschen, die Toleranz im Umgang mit solchen einschlägigen Bands fordern. Wenn die Meinungsfreiheit jedoch als Vorwand zur Verbreitung antidemokratischer Ideologien missbraucht wird, widerspricht dies dem ausdrücklich antifaschistisch konzipierten Grundansatz unserer Verfassung.

Wave-Gothik-Treffen 2002

Glücklicherweise wird dies in der Szene und in den Medien nicht schweigend hingenommen. Öffentliche antifaschistische Statements von bekannten Bands wie „Das Ich“, „Goethes Erben“ oder „Lacrimosa“ tragen dazu bei, eine tolerante Einstellung zu verteidigen und den Neo-Nazis, die bisher noch eine Randerscheinung sind, Paroli zu bieten. Allerdings zeigen politische Ereignisse in Europa, dass die deutsche radikale Rechte Fortschritte gemacht hat und bestens vorbereitet ist auf den Tag X, den sie schon seit Jahren propagiert.