Ein öffentlicher Brief des Magistratsdirektors Martin Gille

Ein Brief an unseren Chemie- und Sozialkundelehrer H.J. Prauß (06.04.2001 20:41)

Mit der Kritik von Tammo Wündisch zu dem Theaterstück „Einer flog über´s Kuckucksnest“, das im Rahmen einer Gewaltpräventionaktion der Stadt Kassel aufgeführt wurde, ist die Angelegenheit noch nicht ausgestanden. Wir veröffenlichen an dieser Stelle ein Schreiben von Magistratsdirektor Martin Gille u.a. an den Goetheschullehrer Prauß, der ebenfalls anwesend war.
[[pfeil Zum Kommentar von Tammo Wündisch#artikel.php3?id=252]

Aktion: „Gewalt – Sehen – Helfen!“
Veranstaltung am 29.03.2001 im Staatstheater Kassel.

Sehr geehrter Herr Prauß,

nach einigen Tagen des Überlegens, wie die Veranstaltung im Staatstheater Kassel zu bewerten ist und wie damit umgegangen werden soll, komme ich zu dem Schluss, dass man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann.

Von einigen Schülerinnen und Schülern wurde extrem Gewalt ausgeübt, gegen die Schauspieler, gegen Schülerinnen und Schüler, die sich verabredungsgemäß mit den Inhalten des Stückes auseinandergesetzt hatten und die dazu eigene Beiträge liefern wollten, gegen Lehrerinnen und Lehrer und gegen die Mitglieder des Präventionsrates der Stadt Kassel.

Und genau das ist nicht geschehen, wovon Oberbürgermeister Georg Lewandowski in seiner Eröffnungsrede gesprochen hat: Wenden wir uns gegen Gewalt, seien wir keine Weggucker schalten wir uns ein.

Warum ist nichts geschehen?Aus Respekt gegenüber den Schauspielern, die das Stück in einer großartigen Form „über die Runden“ gebracht haben.

Ich habe mich im Anschluss mit der künstlerischen Leiterin unterhalten und auch die Problematik diskutiert, die eine Unterbrechung nach sich gezogen hätte. Übereinstimmend sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass dies evtl. zu einem Eklat geführt hätte.

Zum Schluß waren ca. 100 Schülerinnen und Schüler und auch die dazu gehörigen Lehrerinnen und Lehrer enttäuscht darüber, dass es keine Diskussion mehr mit den Schauspielerinnen und Schauspielern geben konnte, andererseits wurde diese Haltung auch voll akzeptiert.

Ich schlage Ihnen nun folgendes vor:Während eines noch festzusetzenden Termins im Mai 2001 sollte mit den Schülerinnen und Schülern, die anwesend waren, eine Diskussionsveranstaltung zu dem Thema „Gewalt“ im Bürgersaal des Kasseler Rathauses stattfinden.

Zunächst lade ich Sie zu einem Vorgespräch am 25.04.2001 um 14:30 Uhr in das Kommissionszimmer 11 des Kasseler Rathauses ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Auf verschiedene Telefongespräche mit Ihnen beziehe ich mich.

Mit freundlichen Grüßen- Martin Gille -(Magistratsdirektor)

Anm.d.Redaktion:
Da das Thema „Gewalt unter Jugendlichen“ einen besonderen Stellenwert besitzt, werden wir natürlich mit dabei sein, unsere Argumente einbringen und Euch davon berichten.