Von unserem Redakteur Lazar Backovic (07.07.2004 00:14)
Vor dem Abitur studieren und seine Scheine schon im Voraus machen? Hörsaal statt Klassenzimmer? Laut der KMK (Kultusministerkonferenz) soll der Gedanke des frühzeitigen Studierens keine Illusion bleiben, sondern in die Tat umgesetzt werden. Die Empfehlung der KMK zielt eindeutig auf die Frühbegabungen junger Menschen ab, die auf jeden Fall gefördert werden soll. „Schüler sollten die Chance nutzen, zu verkürzen,“ so gab die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine Karin Wolff, die Kultusministerin Hessens wieder.
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Die „Gefahr des Langzeitstudierens“ vorzeitig zu vermeiden, das ist also auch ein Aspekt, der für das Studieren im Oberstufenalter spricht. Doch in wie weit sind wir, die Kasseler Schüler, davon betroffen? Es sieht, laut dem Pressesprecher der Uni Kassel, Jens Böhm, nicht so aus, als ob die Universität die Empfehlung der Kultusministerkonferenz annimmt und jungen Talenten den Sprung in das Leben eines Studenten machen lässt.
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In welchem Fall macht der Sprung überhaupt Sinn und welche Meinung haben die Schüler? Die Meinungen sind hier geteilt: Auf der einen Seite findet die Idee Zustimmung, denn wenn die eigene Qualifikation ausreicht und man genau weiß, in welche Richtung man sich im Studium orientieren will, so Anna Seifert in der HNA, dann steht dem Überflieger nichts mehr im Weg und er kann schon vor seinen Klassenkameraden studieren. Andere finden, dass das Abitur schon schwierig genug sei und man sich auf die Allgemeine Hochschulreife „ordentlich“ vorbereiten sollte. „Einmal als Gastzuhörer im Hörsaal zu sitzen sei nicht verkehrt“, so weitere Stimmen aus Schülerkreisen. Zumindest dann, wenn man sich auf einen Fachbereich spezifiziert hat. Jedoch muss man einsehen, dass man als Gastzuhörer keine Prüfungen mitschreiben kann und darf, denn ohne Hochschulzugangberechtigung ist Außenstehenden der Uni-Zugang verwehrt. Also muss, wie Marion Schomburg weitsichtig fordert, das Zulassungsrecht für jene Berechtigung geändert werden.
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Und abgesehen von Berechtigungen et cetera gibt es noch viel menschlichere Probleme: Ist der Leistungsdruck nicht viel zu hoch für so einen Studenten – ein „Kind“, im gewissen Sinne, das aus dem Schulalltag gerissen wird? Wie oft hört man Schüler stöhnen, sie kämen mit der Schule nicht zurecht. „Scheiß Schule,“ heißt es, die Schüler würden mit dem Leistungsdruck unserer Gesellschaft nicht fertig. Und dies kann eine Reaktion auslösen, die genau den Gegenzweck zur Ursache hat. Eine Karrierebeschleunigung ist also nicht gewährleistet bzw. der frühzeitige Unibesuch kann statt eines Erfolges einen Absturz auf Kosten des voreiligen Schülers, pardon auf Kosten des voreiligen Students, sein.
Weitere Überlegung wären also wünschenswert.