Einer geht noch…, Saufen bis der Arzt kommt

Von unserer Redakteurin Kim Kraft (02.07.2007)

„Tod eines Schülers. Niemand hielt Lukas auf, der sich ins Koma trank. Jetzt ist er tot, und seine Mitschüler reden über die Gefahr: über Alkohol.“ Dies titelte die „Berliner Zeitung“ am 30. März diesen Jahres. Der 16-jährige Gymnasiast Lukas W. war einen Monat zuvor mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Nach knapp 50 Tequila hatte er einen Promillewert von 4,8 und fiel ins Koma. Nun wacht er nie mehr wieder auf.

 

Nachdem jeder die Geschichte von Lukas W. aus Berlin erfahren hatte, machte sich Erschütterung breit und man fragte sich: Was ist das für eine Jugend im Vollrausch? Man diskutierte, suchte und fand schnell die Schuldigen: Discotheken und Kneipen, die die Jugendlichen mit „1-€-Flatrate-Parties“, „50-Cent-Parties“, „Happy-Hour-All-Night“ und „All-Inclusive“ Angeboten locken. Die Veranstalter machen an einem normalen Abend knapp 2.000 €, an einem Flatrate-Abend bis zu 6.000 € Umsatz. Da kann man nur über die 400 € Strafe pro Kind lachen, die ein Wirt laut Bußgeldkatalog bezahlen muss, wenn er Alkohohl einem Kind unter 14 Jahren ausschenkt. Einen Rabatt(!) (die Hälfte) gibt es, wenn dies mehrfach vorkommt.

 

Seit Lukas´ Tod gehen die Veranstalter mit Hilfe von Babybändchen vor, die um die Hand der Minderjährigen gebunden werden. Teilweise wird gar kein Alkohol an Minderjährige mehr ausgeschenkt oder sie haben das Billigtrinken ganz abgeschafft. Dabei sind es nicht nur Kneipen und Discotheken, in denen die Jugendlichen sich die Kante geben, größtenteils finden die Besäufnisse in Privaträumen oder Parks, auf Plätzen oder an See- und Flussufern statt.

 

 

Eine Jugendliche auf öffentlicher Straße, die zu tief in die Flasche geschaut hat.

 

Die Minderheit der 13 bis 18-jährigen trinkt. Diese Minderheit trinkt allerdings exzessiver, härter und vor allem früher. So sind die Krankenhaus- einlieferungen in der Zeit von 2001 bis 2006 bei den 15 bis 20-jährigen um 55% gestiegen, bei den unter 15-jährigen sogar auf 125%. Vor 20 Jahren begann der Einstieg mit Bier und Biermixgetränken, heute ist es hochprozentiges wie Grüner Apfel, Korn oder Wodka mit Limo oder Saft. Der Alkohol ist jetzt schön süß, so dass ihn jeder gut runter bekommt. Mit 50 € im Monat sind die Wirkungs- oder Statustrinker jedes Wochenende dabei.

 

Das Trinken von Jugendlichen hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Es ist sogar so, dass fast die Hälfte der 12 bis 17-jährigen in den 70ern mindestens ein Mal in der Woche getrunken hat, heute ist es nur noch ein Fünftel. Zwei Drittel der Kinder, die Alkohol trinken sind experimentierfreudig und suchen Grenzerfahrungen und das Risiko. Das andere Drittel ist extrem suchtgefährdet, denn sie trinken ihre Probleme und Sorgen weg. Je früher man anfängt, desto größer ist die Gefahr einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit. Das hängt damit zusammen, dass das Gehirn der Jugendlichen schneller und besser lernt, im Guten wie im Schlechten. Alkohol wird im Zusammenhang mit Partys als etwas Positives vermerkt und je früher und häufiger so das Belohnungssystem im Hirn stimuliert wird, desto tiefer verankert sich der vermeintliche Zusammenhang von Glück und Schnaps. Bis ein Erwachsener klinisch süchtig ist, hat er 10 bis 15 Jahre Alkoholmissbrauchs hinter sich, bei Jugendlichen geht das zehnmal so schnell, sie sind schon nach 1 bis 2 Jahren süchtig.

 

Man kann die Trinker auch keiner bestimmten Schicht zuordnen. Es trinken sowohl Hauptschüler als auch Gymnasiasten, etwas weniger Mädchen als Jungen, Jugendliche aus intakten und schwierigen Familienverhältnissen und mit liberaler oder strenger Erziehung. Das Einzige, was auffällt, ist, dass 50% der wegen Alkoholvergiftung eingelieferten Jugendlichen aus alleinerziehenden Haushalten stammen.

 

 

Jungs stützen sich gegenseitig, Mädchen halten sich die Haare zurück

 

Das erste Stadium von Alkoholvergiftung von 1 bis 2 Promille enthemmt den Trinker, bringt ihm Gleichgewichtsstörungen und er lallt. Im zweiten Stadium bei 2 bis 2,5 Promille werden viele aggressiv. Dann erschlaffen die Muskeln und sie werden müde. Dadurch, dass viele in diesem Stadium einschlafen und somit nicht weiter trinken, ist der Vergiftungsprozess beendet. Trinkt ein Jugendlicher sehr schnell eine große Menge Alkohol, kann er direkt ins dritte Stadium kommen. Das dritte Stadium oder auch Narkosestadium bei 2,5 bis 4 Promille, verursacht eine Blutzuckerentgleisung, führt zu einem Kreislaufschock und anschließend zur Bewusstlosigkeit. Ab 4 Promille fällt der Jugendliche in der Regel ins Koma.

 

Experimente an Ratten haben ergeben: Wer in der Pubertät bereits Alkohol trinkt, greift in Stresssituationen später eher zu Alkohol als einer, der erst als Erwachsener mit Alkohol in Berührung kommt. Außerdem haben Jugendliche, die bereits früh Alkohol trinken, einen geringeren Intelligenzquotienten, schlechtere Lese- und Gedächnisleistungen, verminderte räumliche und visuelle Funktionen und Aufmerksamkeitsdefizite.

Na, wenn das keine Gründe sind, sich dem Gruppenzwang des Alkoholtrinkens zu entziehen!? Und wer viel trinkt, hat auch bald keine Gruppe mehr!