Einigkeit und Recht und Arbeitslosigkeit

Von unseren Mitarbeitern Lukas Rychlik und Patrick Youffef (19.06.2005 16:06)

Nach mehrfacher Terminverschiebung war es endlich soweit. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) der Länder Hessen und Thüringen, Stefan Koerzell, ist am 3. Juni 2005 von den Schülern des PoWi-Leistungskurses 12 zu einer Diskussion über die aktuelle Wirtschaftspolitik eingeladen worden. Ausgangspunkt war ein LK-Projekt unter dem Slogan „Einigkeit und Recht und Arbeitslosigkeit“.

PoWi-Lehrerin Frau Lühmann, Stefan Koerzell und Magali Moussa (v.l.)

Vier Leitfragen, moderiert von Magali Moussa und Navid Eskandari, sollten unser Thema aus gewerkschaftlicher Sicht beleuchten:

– Wie sieht für junge Menschen von heute mit höherem bzw. niedrigerem Bildungsabschluss die Zukunft auf dem Arbeitsmarkt aus?
– Welche Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen schlagen Sie vor?
– Halten Sie Hartz IV für sinnvoll, um die soziale Sicherung von Sozialhilfe- und Arbeitslosengeldempfängern zu gewährleisten?
– Mit welcher Wirtschaftspolitik könnte die Konjunktur angekurbelt werden?

Bild: Staeck

Der 42-jährige angelernte Elektrotechniker Stefan Koerzell, der sich nach einem Jahr Studium aus persönlichen Gründen für eine Umorientierung seines beruflichen Werdeganges entschied und letztendlich zum DGB-Vorsitzender der Länder Hessen und Thüringen gewählt wurde, ist ein besonders engagierter Vertreter der Arbeitnehmer.
Bezüglich unserer ersten Frage ist Stefan Koerzell, der sich und seine Handlungsweisen als überparteilich betrachtet, der Auffassung, dass die Zukunftsperspektive für die jungen Leute hinsichtlich einer Ausbildung unabhängig von ihrem Bildungsabschlusses relativ düster aussieht, da die verfügbaren Ausbildungsplätze in Relation zu den Bewerbern viel zu rar sind. Die Studienplatzanwärter warnt er vor der Einführung von Studiengebühren von seiten der zukünftigen schwarz-gelben Regierung, so dass sich ein Studienplatz als Privileg der Besserverdienenden erweisen könnte.

DGB-Landeschef Stefan Koerzell

Besonders bei unserer zweiten Frage kristallisierte sich Koerzells grundlegende Position als Vertreter der weniger verdienenden Arbeitnehmer heraus. Er plädiert vehement für eine deutliche Erhöhung der Vermögenssteuer, denn seiner Meinung nach geht es den „Reichen“ unseres Landes immer noch viel zu gut. Dieser reichen Minderheit unserer Gesellschaft müsse mehr Geld „weggenommen“ werden, sodass mit diesen finanziellen Mitteln mehr Investitionen getätigt werden könnten, was zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen führen würde.

Foto: Mester

Ein anderes Problem der hohen Arbeitslosigkeit sieht Stefan Koerzell, der im Verlauf der Diskussion emotionaler wurde, darin, dass die Binnennachfrage unseres Landes praktisch am Boden liegt. Diese könne nur wieder in Schwung gebracht werden, wenn die Steuern der Wenig- und Normalverdiener, die nun mal den größten Anteil der Konsumenten bilden, drastisch gesenkt werden. Auch von Hartz IV hat der DGB- Vorsitzende eine Meinung, die er mit vielen Menschen unseres Landes teilt: „Hartz IV ist ein typisch deutsches Gesetz, dass durch den Bundesrat musste und wobei am Ende nur Schrott herauskam!“ Ähnliches hält er von 1-Euro-Jobs: „Alle diese Maßnahmen führen letztendlich zu einer zukünftigen Verschärfung der Kluft zwischen Arm und Reich!“

Aufmerksame Gesichter

Zum Abschluss der lebhaften Diskussion schilderte uns Stefan Koerzell einige seiner Reiseerfahrungen in Sao Paolo, einer Millionenstadt in Brasilien, in der die Ghettos der armen, hungernden und verzweifelten Bevölkerungsmehrheit nur wenige Meter von den prachtvollen Villen der Multimillionäre entfernt sind. Einen wirklichen Mittelstand gebe es nicht. In keinem anderen Land sei die Schere zwischen den Armen und den Superreichen so weit gespalten wie in Brasilien. Seine Warnung vor solch einer Gesellschaftsordnung war auch zugleich das Schlusswort unserer Diskussion, in der uns eine Sichtweise geschildert wurde, der sicherlich die meisten von uns aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Argumentationsweise von Stefan Koerzell übereinstimmen