Es lebe die Demokratie!

Von unserer Redakteurin Kim Kraft (22.01.2009)

Wählen gehen, Auto fahren, endlos Feiern gehen. In etwa dieser nach Priorität geordneten Reihenfolge habe ich mir das 19. Lebensjahr herbeigewünscht. Für viele meiner Freunde oder Bekannten in meinem Alter war diese Reihenfolge nie verständlich. Während ich das Teilnehmen an Wahlen als einen der tollsten Gründe 18 zu werden ansah, hatten sie nicht einmal daran gedacht, dass sie nun als Teil der Erwachsenenwelt eine Stimme hatten. Vergangenes Jahr bin ich nun volljährig geworden. Das Auto fahren ist schon Routine für mich und das endlose Feiern habe ich auch schon einige Male zelebriert. Nur mit dem Wählen musste ich vier Monate warten. Vergangenen Sonntag, den 18.01., habe ich meine ersten Kreuze gemacht.

 

 

 Zwei Stimmen für jeden Bürger ab 18

 

Bereits seit Wochen hing die Wahlberechtigung an meiner Pinwand und den Sonntag hatte ich dick im Kalender angestrichen. Für mich war es ein sehr besonderer Tag, auf den ich mich sehr freute, und den ich mir immer wie einen Staatsakt vorgestellt hatte. Ich dachte, die Wahlhelfer wären chic gekleidet und würden förmlich reden, die Wahlzettel und die Wahlurne sähen irgendwie nach etwas besonderem aus und die vielen Menschen, die sich in den Wahllokalen begegnen würden, wären glücklich gerade ihre Stimme geäußert zu haben.

Aber es kam ganz anders.

 

 

 Der alte und neue Ministerpräsident

Roland Koch

 

So gegen 15 Uhr bin ich dann mit meiner Familie in unser Wahllokal im Landkreis Kassel gefahren. Auch wenn wir keine Arbeitsklamotten anhatten, außergewöhnlich chic waren wir doch nicht gekleidet. Nach einer ca. fünf minütigen Fahrt kamen wir an unserem Wahllokal, der örtlichen Grundschule, an. Wir wurden von den Wahlhelfern, die wir alle vier kannten, mit einem Scherz begrüßt. Unsere Namen wurden von der Registrierung gestrichen, uns wurde ein Stimmzettel in die Hand gedrückt und wir wurden auf die drei vorhandenen Kabinen verteilt.

 

Auch wenn ich bereits wusste, wen ich wählen wollte, lies ich mir doch alle Wahlvorschläge noch einmal durch und blieb bei einer Partei hängen. Die NPD! Ich weiß, dass wir in einem Land freier Meinungsäußerung leben und das finde ich auch sehr gut, aber dennoch scheint es sehr absurd, dass ein Land mit unserer Vergangenheit eine solche Partei auf den Stimmzetteln stehen hat und ihr somit die Möglichkeit gibt, mit welchen Mitteln auch immer, an Macht zu kommen.

 

Nachdem ich nun endlich meine ersten zwei Kreuze auf staatlichem Papier gemacht hatte, ging ich zur Wahlurne. Die Wahlurne, die ich mir als Urne aus schlichtem Stein oder Metall vorgestellt hatte, war eine blaue Mülltonne mit Schlitz im Deckel.

 

 
 Die Qual der Wahl  

Die vielen Menschen, die ich erwartet hatte, die mit den glücklichen Gesichtern, blieben aus. Stattdessen liefen einige ältere, chic gekleidete Bürger auf dem Rückweg an uns vorbei. Sie schienen es bei jeder Wahl so zu machen: einen nach dem anderen abholen und dann gemeinsam, egal bei welchem Wetter, zum Wahllokal pilgern um ihre Stimme abzugeben. Allerdings sahen sie dabei dieses Mal nicht glücklich aus. Vielleicht war es etwas anderes, was ihnen ihre Laune verdarb, vielleicht aber war es die Tatsache, dass sie bereits zum zweiten Mal für den Landtag ihre Stimmen abgeben mussten.

 

Von vielen Freunden und Schulkameraden ließ sich bereits vor den Wahlen ein Stöhnen vernehmen. Für viele waren es die ersten Wahlen und sie wussten lange Zeit nicht, wen sie wählen sollten, oder ob sie überhaupt wählen gehen sollten. Die Probleme und Unstimmigkeiten in und zwischen den verschiedenen Parteien haben viele Hessen unsicher gemacht. Diese Unsicherheit schlägt sich meiner Meinung nach auch in den Zahlen nieder. Die FDP und die Grünen haben deutlich an Wählerstimmen zugelegt, wobei die CDU leicht und die SPD deutlich an Wählerstimmen verloren haben. Aber die schockierenste Zahl ist die Zahl, die die Wahlbeteiligung angibt: 61%. Ganz abgesehen von Krankheit oder unerwarteter Verhinderung verstehe ich nicht, dass knapp 40% es anscheinend nicht schätzen in einem demokratischen Land zu leben und die Möglichkeit zu haben die Politik mit zu beeinflussen.

 

Schließlich wurde gerade der erste afroamerikanische Mann zum Präsident der Vereinigten Staaten ernannt. Ich für meinen Teil weiß, dass ich dieses Jahr noch drei Mal Kreuze machen darf und diese Möglichkeit werde ich auf jeden Fall wahrnehmen.