Haltbarkeitszeichen von Vorbildern

Von unserem Religionslehrer Michael Kräbs (16.10.2004 22:57)

Kürzlich war der Bundespräsident in Kassel auf der Suche nach Vorbildern. Eine gute Gelegenheit meine Schüler nach ihren Vorbildern zu befragen. An der Spitze der spontan genannten Vorbilder landeten die Fußballer und die singenden Schauspielerinnen. Michael Ballack („der hat die beste Übersicht und schießt so viele Tore“) und Jeannette (“ die Figur und die Stimme sind ganz toll!“) machten das Rennen.

Vorbilder für Bundespräsident Horst Köhler (li), die nicht vergehen: Nelson Mandela und die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai

Wer sehr gut aussieht, viele Platten verkauft oder ganz einfach „cool“ ist, hat gute Chancen, als Vorbild verehrt zu werden. Dass die meisten von den Genannten in 5 Jahren keine Schülerseele mehr kennt, ahnt man noch nicht, denn das Haltbarkeitsdatum der Stars und Sternchen ist durch den hellen Glanz verborgen. Doch meist schon nach kurzer Geltungszeit sind ihre Uhren abgelaufen, sind die Heiligen der Gegenwart vom Altar ihrer Jünger verschwunden und durch neue Pop-Ikonen ersetzt. Die Industrie produziert Schein-Heilige am Fließband und wirft sie anschließend in den Müll. Ein Mechanismus mit System.

Die Kirche ist in der Beziehung treuer. Ihre Heiligen vergisst sie nicht. Und einmal im Jahr werden Alle(r)heiligen gefeiert. Doch Schüler kennen kaum noch Heilige. Ihre Bedeutung rückt mehr und mehr in den Hintergrund. Auch ihre Zeit scheint abgelaufen. Außer St. Nikolaus und St. Martin kennen die meisten kaum noch kirchliche Vorbilder. Selbst der Begriff „heilig“ scheint unmodern. Und doch ist ihnen Gott sei Dank noch manches „heilig“: Freundschaften, die Liebe und sogar der Weltfrieden. Was so plump aufgezählt scheint, bewegt die Gemüter an den Schulen tatsächlich tagtäglich. Und weiteres Insistieren bringt eine Woge aktueller Heilige ins Spiel: Mutter Theresa, Nelson Mandela und die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai. Sie verkörpern glaubhaft Werte, die jeder einzelne in sich trägt. Vorbilder von heute als bleibende Heilige von Morgen?- Eine Vision mit Perspektive.

Michael Kräbs ist Katholischer Diakon und Religionslehrer am Goethe-Gymnasium Kassel