Kabale und Liebe 2008

Von unserer Redakteurin Kim Kraft (26.02.2008)

Ein brennendes Herz im Hintergrund, ein Mann trägt eine Frau auf Händen, das Paar wird von Schnee bedeckt und eine ruhige Melodie mit leisem, seichtem Gesang erfüllt den Saal.

 

Ferdinant und Luise vor einem riesigen brennenden Herz

 

Den ersten Zuschauern schießen die Tränen in die Augen bei diesem berührenden Bild. Die ersten Assoziationen sind „Romeo & Julia“ und eine Szene aus „OC.California“, doch es ist Schillers bürgerliches Drama „Kabale und Liebe“, das im Kasseler Schauspielhaus aufgeführt wird. Der Zuschauerraum ist bis auf den letzten Platz gefüllt mit Zuschauen, von denen einige ein eher langweiliges Stück erwarten. Doch nach dem Auftritt weiterer Schauspieler wird klar: dieses Stück wird anders als erwartet! Die Schauspieler tragen Armani-Anzüge, einer trägt eine rote Lederjacke, ein anderer trägt rote Puma-Schuhe. Die Trennung der Akte wird durch laute Techno-Musik und blitzendes Discolicht angezeigt. Statt Degen gibt es Pistolen und statt Wein wird Tequila getrunken. Eine E-Gitarre wird gespielt und auch die Sprache an sich wurde der heutigen Zeit angepasst. Diese provokante Inszenierung lässt die Zuschauer eindeutig nicht kalt, denn in den Gesichtern zeichnet sich das Verdutzen ab. Die Schauspieler waren in jeder der 165 Minuten, die das Stück dauerte, präsent und sind nicht aus ihrer Rolle gefallen. Das Spiel miteinander zeigte eine Vertrautheit unter den Schauspielern und ließ die Zuschauer vollkommen in das Stück eintauchen.

 

 
Einflüsse anderer Nationen auf unser Leben  

Auch wenn Schillers Drama ursprünglich im 18.Jahrhundert spielt, zeigte die Inszenierung des Kasseler Schauspielhauses Parallelen zur heutigen Zeit. Die Vorurteile und Hindernisse, gegen die die Liebe heutzutage kämpfen muss, sind weniger Klassenunterschiede als religiös- oder rassenbedingt. Das liegt größtenteils auch an dem Bild, das die Menschen mit verschiedener Abstammung voneinander haben. Die Russen trinken, die Türken pöbeln und die Deutschen sind gastfeindliche Spießer, die den ganzen Tag nur Kartoffeln und Kraut essen. Diese Bilder müssten eigentlich schon veraltet sein, denn durch das lange Zusammenleben am Arbeitsplatz oder auch im Privatleben müsste man sich besser kennen gelernt und sich die typischen Klischees der jeweiligen Nationen aufgelöst haben.

 

Einen großen Beitrag zu diesen immer noch vorherrschenden Klischees ist der Populismus. Dieser wird, erschreckenderweise, nicht nur von Neonazis verbreitet, sondern auch von Politikern wie Roland Koch. Dieser startete 1999 beispielsweise eine Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und gewann damit die Landtagswahl. Für die Landtagswahl 2008 forderte er im vergangenen Dezember das Burka-Verbot an hessischen Schulen. Nachdem ein 76-jähriger Mann in der Münchner U-Bahn von einem 17-jährigen Griechen und einem 20-jährigen Türken bespuckt und zusammengeschlagen worden war, forderte Koch härtere Strafen wie beispielsweise Erziehungscamps oder Ausweisung für kriminelle ausländische Jugendliche.

 

 

Titelseite von Bild

 

Die kriminellen Jugendlichen, meist mit Migrationsintergrund, wären ein Produkt der heimischen Erziehung, so Koch. Doch man fragt sich: Hat man je ein Mädchen mit Burka an einer hessischen Schule gesehen? Oder woher kommt es, dass es laut Koch so viele kriminelle Jugendliche mit Migrationshintergrund gibt? Vielleicht liegt das ja nicht an den volksspezifischen Verhaltensweisen sondern an der gescheiterten Integrationspolitik der hessischen Regierung, die die letzten neun Jahre regiert hat. Außerdem nützen härtere Strafen nicht viel, wenn bis zur Verurteilung Monate, wenn nicht sogar Jahre vergehen, weil die Gerichte überlastet sind und das Urteil wegen Überfüllung der Gefängnisse „Freispruch“ lautet. Also will Koch eine schnelle Ausweisung der Jugendlichen in die Länder ihrer ethnischen Herkunft, obwohl diese in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und die ihre ganze Erziehung in Deutschland genossen haben.

Und auch dieses Mal scheint Kochs Plan funktioniert zu haben, denn die CDU lag bei der hessischen Landtagswahl im Januar 2008 mit 0,1% vor der SPD ( CDU: 36,8% SPD: 36,7%), hat aber herbe Verluste hinnehmen müssen. Selbst aus den REihen der CDU kam Kritik an Kochs populistischem Wahlkampf.

 

Zwar ist bis jetzt noch nicht entschieden, wer die hessische Regierung bilden wird, aber wenn wir den Blick zurück auf das Theaterstück werfen, fällt auf: Am Ende sterben die zwei Liebenden und damit die Hauptdarsteller. Wer wird wohl im Kampf um die hessische Politik die Hauptrolle spielen und sich verabschieden? Koch oder die Bevölkerung?