Lang, lang ist’s her …

Von Christina Vukota, Abi-Jahrgang 1985 (19.02.2005 21:09)

„Viele Grüße aus dem verschneiten Knüll“, schrieb Claudia Wolff, jetzt Walz, am 16. Februar 2005 ins Gästebuch des Goethe-Gymnasiums. „Ich kann mich nach Durchsicht der Listen zwar noch an einige Namen erinnern, weniger jedoch an Gesichter – obwohl die sich in den 20 Jahren wahrscheinlich eh etwas verändert haben. Ein Jahrgangstreffen des Abi-Jahrgang ’85 ist sicherlich spannnend. Ich freue mich darauf! Wie geht es eigentlich ‚Waldi‘?“

Christiane Vucota, geb. Repp, mit ihrer Klasse (hint. Reihe links)

Wir haben daraufhin eine der Organisatorinnen des Abi-Jahrgangstreffens – das voraussichtlich im Oktober stattfinden wird – Christiane Vukota, geb. Repp, angesprochen und sie gebeten, ihre Eindrücke über die Schulzeit am Goethe-Gymnasium zusammenzufassen:

Unsere Sylt-Fahrt in der Jg.-Stufe 7

„Eingeschult wurde ich im August 1976. Untergebracht waren wir Sextaner in einem Gebäude in der Schützenstraße, auch ‚Baracke‘ genannt. Wir waren fünf Klassen, alle mit mehr als 30 Schülern. In den Pausen haben wir uns oft geprügelt und geschubst. Dabei war es egal, ob wir Männlein oder Weiblein waren. Aber die Unterstufe war noch die Zeit, in der wir versucht haben, unseren Lehrern zu gefallen.

In Bio durften wir unsere Noten durch freiwillige Aufsätze über ein von uns gewähltes Tier verbessern. Die Note richtete sich dann nach der Anzahl der Wörter. In den meisten Fächern hatten wir Lehrer, die den Frontalunterricht bevorzugten. Vielleicht gab es bei diesen Klassenstärken und unserem Bewegungsdrang auch keine Alternativen. Jedenfalls bestand Lernen überwiegend aus Auswendiglernen und Schleimen.

…ist ein prägendes Element der Schulzeit, meint auch Christiane Repp (ganz vorne)

Die Mittelstufe durften wir im ‚Wimmelkasten‘ genießen. Schulhof und Physik-Räume teilten wir mit der Carl-Schomburg-Schule. Im Physik-Raum wurden wir von Herrn Kern mit den Geheimnissen der elektrischen Ladung vertraut gemacht. Nicht das Katzenfell und der Plastikstab waren für uns der Renner, sondern die Haare unseres Lehrers, die gelegentlich zu Berge standen. Wir haben heimlich in den Schul-Klos geraucht und stets versucht, die ‚Aufsicht‘ auszutricksen. Zur Nachahmung nicht empfehlenswert. Man lernt nichts dabei, bekommt nur Ärger und vergeudet wertvolle Pausenzeit. Dafür haben wir uns aber nicht mehr geprügelt.

Lange Haare, Gitarre und Palästinenser-Tuch

Die Art des Unterrichts veränderte sich. Wir bekamen vermehrt Referate, und der Unterricht wurde ‚interaktiv‘. Wir mussten nun unsere grauen Zellen mehr und mehr anstrengen und uns am Unterricht beteiligen: Die Lehrer, die wir nun hatten, gingen auch Konfliktgesprächen nicht aus dem Weg und lehrten uns, Informationen stets kritisch entgegenzunehmen. Informationsmaterial mussten wir uns teilweise selbst besorgen. Da es das Internet noch nicht gab, wurde uns der Besuch verschiedener Bibliotheken dringend ans Herz gelegt.
Jetzt standen Klassenfahrten im Mittelpunk wie die Fahrt ins Zeltlager auf Sylt. Dort gab es im Rundbau abends Disco. Und wenn Blues gespielt wurde, fand sich so manches Pärchen. Stricken im Unterricht war weit verbreitet, und die Mode spaltete die Schülerschaft in ‚Müslis‘, ‚Popper‘ und Punker.

Schweigen für den Frieden

In der Mittelstufe fing auch die Zeit an, in der sich viele von uns in AGs engagierten. Bei mir waren es überwiegend Chor und die Theater-AG. Die Schule bot damals schon ein sehr umfangreiches Angebot an AGs. Die Computer-Freaks unter uns stritten sich damals, welche Computer-Sprache sich wohl durchsetzen würde. Gegen Ende der Mittelstufe war die Zeit der Friedensbewegung. Viele von uns waren dort mehr oder weniger aktiv. Unsere Lehrer hatten auch keine Angst, politische Themen im Unterricht zu behandeln, haben aber auch nie versucht, uns für die eine oder andere Sichtweise zu überzeugen. Während wir politisch interessiert und zum Teil auch engagiert waren, herrscht dagegen bei den heutigen Teenagern eine beängstigende Gleichgültigkeit.

Friedensfest

In der Oberstufe fingen wir an, uns für unsere eigene Zukunft zu interessieren und auch für einen möglichst guten Abi-Notendurchschnitt. Also mussten wir uns damit befassen, welche Kurse brauchbar waren und welche wir abwählen konnten. Durch die verschiedenen Kurse war der Zusammenhalt nicht mehr so intensiv wie in der Unter- oder Mittelstufe. Mein markantestes Erlebnis war die Begrüßung meines neuen Tutors in der Klasse 11. Da mein Bus nach Kassel Verspätung hatte, kam ich als letzte in den Klassenraum. An der Tür fragte mich mein Tutor, mit dem ich zuvor noch nie zu tun hatte, was ich denn wolle. Ich nannte meinen Namen und dass ich auf der Liste für diesen Kurs stehen würde. Er antwortete: „Ich nehme Sie nicht, mein Kurs ist vollständig.“ Nun ja, ich bin weder mit dem Tutor, noch mit dem Kurs warm geworden.

Da steht ja Tutor ‚Waldi‘ !

Aber so ist es ja häufig im Leben: Man muss mit Menschen zurecht kommen, die man nicht mag. Die Erziehung zum kritischen Informationsempfänger war jedenfalls ein wichtiges Rüstzeug für die Zukunft. Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Bildung in allen Bereichen des Allgemeinwissens. Wir haben gelernt, uns überall schlau zu machen. Sicher mussten wir vieles auswendig lernen, wie z.B. die Namen und die Ordnung der Elemente im Periodensystem oder die unregelmäßigen Verben, oft war aber wichtiger zu wissen, wo welche Information zu bekommen ist und wie man sie verwerten kann. Einzelne Noten sind sehr wichtig in dem Moment, in dem man sie erhält. Später jedoch ist entscheidend, was man aus dem Erlernten für sich selber macht. Ich habe es der Institution Schule nicht leicht gemacht, da ich nie gerne zur Schule gegangen bin und auch nie mehr getan habe, als nach meinem Verständnis unbedingt nötig war. Aber an meine Schulzeit in der Goethe-Schule denke ich gerne zurück.“