My-Glosse

(15.11.2000 18:52)

My Body, my Soul, mySAP – mein erstes „My“ war my Accout. Da fiel mir noch gar nicht so auf, wie komisch es ist, wenn ein virtueller Bankbeamter von „meinem Konto“ redet und damit nicht seins, sondern meins meint. Inzwischen wimmelt es nur so von MyMusic, MyYahoo und MyGemeinde. Ob „my account“ oder „mein Konto“ – das Personalisierungs-Tool „My“ vermittelt dem Surfer das Gefühl, dass zumindest eine Site im weltweiten Web auf ihn wartet.

Doch überall MyPlace, da schwindelt“s so manchem. Schon regt sich der Unmut, und Surfer beklagen das häufige My: „Immer diese MyOnnaise, warum nicht mal Ketchup auf die Domains?“, empört sich einer im Chat. „MyBOL und my-World, die wollen MyMoney, deshalb das My“, meint ein anderer.

Doch was besitzt dieses My für eine Abstandslosigkeit? Wenn eine standardisierte Branchensoftware, die jedem übers Internet zugänglich ist, mit einem persönlichen Fürwort daherkommt, dann gleicht das irgendwie einer vorschnellen Zärtlichkeitsbezeugung nach dem Motto: „Wir kennen uns zwar erst 2 Minuten, aber du bist mein, ich bin dein, und das soll ab jetzt immer so sein!“ Ebenso gut könnte ich zu einem fremden Haus „my home“ sagen.

Dennoch kommt der Kunde am „My“ wohl nicht so schnell vorbei, es haftet wie doppelseitiges Klebeband am Produkt und am Käufer und verführt Ich-schwache Menschen zum Kaufklick. Daher preisen die Anbieter alles so gern auf dem MyWay an. Vielleicht muss ja auch besonders einfallslos da Nähe herbeikonstruiert werden, wo eine zu große Distanz herrscht. Jedenfalls soll der Kunde keine Chance haben, sich der Sache langsam zu nähern, der Abstand zwischen ihm und dem Gegenstand ist von vornherein weg.

Bleibt zu hoffen, dass es mit der betörenden MyMode bald vorbei ist, doch bis dahin sollte man sich merken: „Wo My draufsteht, ist noch lange nicht Deins drin!“