Vorwärts, wir müssen zurück…

Ein Kommentar von Hans-Joachim Prauß (09.09.2001 17:02)

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) will das Nationalbewusstsein deutscher Kinder in den Schulen stärken. Es sei „wünschenswert, dass die Schülerinnen und Schüler Respekt vor unserer Fahne haben“, sagte Koch der „Bild am Sonntag“ vom 9. September 2001. Außerdem sollten die Kinder „das Deutschlandlied können“.

Im letzten Monat war Koch in den USA und hat sich neben einigen „genialen“ Vorschläge zur Reduzierung der Zahl der Sozialhilfeempfängern auch einige Tipps zur kulturellen Identität aufschwatzen lassen; schließlich steht in den USA unmanierliches Verhalten gegenüber der amerikanischen Flagge unter Strafe. Ich bin eigentlich auch gegen Tshirts mit Deutschlandfahne und Körpergeruch; das könnte bestraft werden. Aber dass das Deutschlandlied schon wieder in den Schulen wie ein Schulgebet zelebrieren werden soll, ist keineswegs neu und auch nicht mit einem schlechten Gedächtnis zu erklären.

Ich halte nichts von der Ansicht des Grünen Werner Schulz, der 1998 noch meinte, dass die erste „Strophe von Rechtsradikalen und die dritte Strophe von Konservativen gesungen“ werde. Aber solche Polarisierungen erzeugt und schätzt unser Minsterpräsident. Aber selbst wenn wir die Kirche im Dorf – in der Schule – lassen, stellt sich als nächste Frage, ob in der Schule die erste Stophe, die zweite Strophe, die dritte Strophe oder alle Strophen gelernt werden sollen. Eine müde Diskussion, war alles schon dagewesen.

Jetzt im Jahre des Euro stärkt er mit durchsichtigen Argumenten diejenigen, die in der Phase der Globalisierung, der wirtschaftlichen Umbrüche, der Euroeinführung Ängste entwickeln. Es ist die Angst des Bauern im vorletzten Jahrhundert nach der Bauernbefreiung, der plötzlich ohne Genehmigung des Fürsten oder Lehnsherrn von Vellmar nach Kassel reisen durfte. Diese Angst aufzunehmen ist richtig und wird allzuhäufig belächelt. Diese Angst aber zu verstärken mit rückwärtsgewandten Argumenten ist eines Ministerpräsidenten aller hessischen Bürger nicht würdig. Konsequenter wäre dann schon, sich in die Reihe der Gegner der Globalisierung bzw. der Euroeinführung einzureihen, denn das sind die Hintergründe der Ängste. Aber das will Roland Koch offensichtlich gar nicht. Ein schlechter „Doppelkopfspieler“ oder doch ein guter?