von unserer Redakteurin Julia Gunkel (20.01.2007)
Wer von uns Schülern kennt das nicht: Schon auf dem Weg von der Schule nach Hause weiß man schon, dass zu Hause noch ein Berg Hausaufgaben wartet und in der nächsten Woche auch noch drei Arbeiten anstehen. Klar, dass man darauf eigentlich überhaupt keine Lust hat und sich erst einmal entspannt vor den Fernseher oder Computer setzt. Denn es ist ein ganz natürliches Verhalten von Menschen, unangenehme Dinge auf die lange Bank zu schieben. Doch nun gibt es für diese „Krankheit“ einen Namen – Prokrastination.
Prokrastination bedeutet, die Erledigung unangenehmer oder – nach Meinung der „Erkrankten“ – unwichtigerer Angelegenheiten in die Zukunft zu verschieben. Diese „Kranken“ sind sich des Nachteils bewusst, dass alles auf den „letzten Drücker“ erledigt werden muss oder gar nicht mehr geschafft werden kann, was wiederum Angst und noch mehr Unlust auslöst. Ein Kreisprozess mit oft ernsten Folgen. Bei ernsthaft erkrankten „Aufschiebern“ ist es nicht mehr so wie bei „gesunden Personen“, die einfach keine Lust haben, sich aber doch noch zur Disziplin zwingen und die Ziele in Angriff nehmen. Wirklich erkrankten Prokrastinatoren hilft nur noch eine Verhaltenstherapie unter psychologischer Beratung oder sogar eine medikamentöse Behandlung, um die Selbstregulierung des Patienten anzukurbeln.
Prokrastination kann entstehen, wenn die Betroffenen ihre Prioritäten zu ungenau setzen, wenig organisiert sind oder eine Abneigung gegen Aufgaben haben, die ihnen langweilig erscheinen. Es kann aber auch durch das Elternhaus ausgelöst werden, wenn zu hoher Perfektionismus gefordert wird. Die Erkrankten sehen als einzige Möglichkeit, um eine Beurteilung zu umgehen, einfach kein Ergebnis abzugeben mit der Ausrede, man hätte es ja gekonnt, aber nicht unter Zeitdruck.
Dieses Phänomen ist vor allem unter Schülern und Studenten weit verbreitet, denn gerade diese müssen immer wieder neue Abgabetermine einhalten, Hausaufgaben erledigen und für Arbeiten lernen. Wer kennt nicht auch Schüler an unserer Schule, die grundsätzlich nie Hausaufgaben zu Hause machen, sondern meist in der Pause oder kurz vor der Stunde? Es gibt auch Schüler, die die Lektion für die anstehende Klausur erst einen Tag vorher lesen. Und es gibt natürlich auch diejenigen, die überhaupt nicht lernen, weil es ihnen keinen Spaß macht und sie ihre Aufmerksamkeit lieber anderen Dingen widmen wollen. Aber dies sind eher Genies, wenn sie dennoch die Schulzeit überstehen.
Es muss nicht immer gleich ein ausgeprägtes Krankheitsbild vorhanden sein, doch Psychologen vemuten bei jeder fünften Person Symptome. Eine wirklich krankhafte Prokrastination erkennt man daran, dass diese Personen meisterlich im Erfinden von Ausreden sind und sich ständig selbst betrügen, indem sie sich einreden, andere Dinge hätten erst mal Vorrang. Sie erfinden Ersatztätigkeiten, nur um keine unangenehmen Aufgaben erledigen zu müssen. Zwei Gattungen von Prokrastinatoren sind psychologisch belegt. Zum Einen gibt es den „arousal procrastinator“, der von sich selbst behauptet, sowieso erst im letzten Moment vor dem Abgabetermin kreativ sein und vorher keinen klaren Gedanken fassen zu könne. Zum Anderen gibt es noch den „avoidance procrastinator“, der sich vor allen langweiligen und minderwertig erscheinenden Aufgaben drückt. Er entschuldigt sein Versagen damit, er hätte es ja besser machen können, aber nicht gewollt.
Jeder Mensch ist zum Prokrastinator geboren, denn man setzt sich lieber an kurzweilige Aufgaben mit baldigem Erfolg als an Projekte, die viel Zeit in Anspruch nehmen und bei denen die Belohnung auf sich warten lässt. Es ist uns scheinbar selten angeboren, lästige Aufgaben diszipliniert zu erledigen. Es kommt daher nur darauf an, wie hoch die Schmerzgrenze der Personen ist, ob sie also lieber die unangenehme Arbeit oder die unangenehmen Folgen verhindern will. Und interessanterweise kann Prokrastination auch eine positive Seite haben. Denn die Betroffenen planen nicht alles genau durch, sondern können sich von einen Moment zum anderen auf neue Herausforderungen konzentrieren. Sie sind also flexibler als andere. Daher solltet ihr euch also keine Gedanken machen, wenn einmal nicht sofort die Hausaufgaben erledigt sind, sondern lieber mal abschalten. Und Hand aufs Herz, sind wir nicht alle ein bisschen prokraszinär?