Wir fordern mehr Rechte für Frauen

Von unserer Redakteurin Anahita Ghanavati (11.03.2004 20:50)

Es weht ein kalter Wind in Kassel. Eine Gruppe von ungefähr 100 Frauen durchschreitet die Innenstadt von Kassel. Einige Frauen halten Schilder, Plakate oder Flaggen mit Inschriften hoch, während andere mit Trillerpfeifen versuchen, die Aufmerksamkeit der vorbeigehenden Passanten auf sich zu ziehen. Zwischendurch schreit einer der Frauen laut durch ein Megafon: „Wir fordern mehr Rechte für Frauen, helfen sie mit!“ Nur sehr wenige bleiben stehen und zeigen Interesse.

Frauen organisieren sich im Kasseler Frauenbündnis

Es ist der 8. März 2004, der internationale Frauentag. Auch heute ist Deutschland kein Hort der Emanzipation, erhalten noch viele Frauen geringere Löhne als ihre männlichen Kollegen, ist Gleichberechtigung an vielen Arbeitsplätzen ein Fremdwort und werden Frauen diskriminiert. Dies sind nur einige Beispiele, die dazu führen, dass Frauen auf die Straße gehen und lautstark für ihre Rechte kämpfen.

Frauenbüchertisch mit Frauenliteratur

Doch was ist der internationale Frauentag genau, und wieso findet er am 8. März statt? Der internationale Frauentag hat eine lange Tradition. Bereits am 8. März 1857 demonstrierten Textilarbeiterinnen in New York. Andere Quellen weisen auf den 8. März 1908 hin. Tabak- und Textilarbeiterinnen sind in Manhatten in den Streik getreten und wurden von Aufsehern und Unternehmern in ihrer Fabrik eingeschlossen. Schließlich brach in der Fabrik ein Brand aus, nur wenigen gelang die Flucht und 129 Frauen kamen in den Flammen ums Leben. Ihre Absichten waren, soziale und politische Gerechtigkeit und bessere Arbeits- und Lebendsbedingungen zu erhalten.

Was uns bewegt und wir bewegen, meinen die DGB-Frauen

Ein erster nationaler Frauenkampftag wurde 1909 von nordamerikanischen Sozialistinnen durchgeführt, um für die Ausbreitung des Sozialismus zu werben und für das Frauenwahlrecht zu kämpfen. In Deutschland zählte Clara Zetkin (1857-1933) zu eine der wichtigsten Leitfiguren der Frauenbewegung. Sie setzte sich für die Gleichstellung der Frau im Arbeitsschutzgesetz, gleiche Löhne für gleiche Arbeit und Urlaub für Schwangere ein. Am 27. August 1910 wurde in Kopenhagen von der 2. internationalen sozialistischen Frauenbewegung auf Vorschlag Clara Zetkins ein jährlicher internationaler Frauentag eingeführt. Und endlich war es soweit. Der erste internationale Frauentag fand am 19. März 1911 in Dänemark, Österreich, Schweden, der Schweiz und den USA statt.

Rote Fahnen sieht man besser

Erst 1921 wurde der internationale Frauentag auf das Datum 8. März festgelegt. Dieses Datum sollte von nun an für alle unterdrückten und ausgebeuteten Frauen von internationaler Bedeutung sein. Der internationale Frauentag hat also seine Anfänge in der Tradition proletarischer Frauenkämpfe.

Der Marsch durch die Innenstadt …

Nach dem 2. Weltkrieg entstand ein neues Bild der Frau. Ihre Stellung in der Gesellschaft war nun die Mutter in einer Kleinfamlie. In den 50er und 60er Jahren spielte die Frauenbewegung daher keine große Rolle mehr, erst wieder in den 80er Jahren. Auch heute noch gehen am Weltfrauentag jedes Jahr weltweit Millionen von Frauen auf die Straße, in der Kasseler Innenstadt in diesem Jahr aber kaum mehr als hundert Frauen.

…erregt nicht viel Aufsehen

Daher stellt sich die Frage, ob die jahrelangen Kämpfe der Frauenbewegung überhaupt etwas gebracht haben. Natürlich, Frauen gelten heute als emanzipierter, selbstbewusster und vollwertiger. Jedoch sind die über 100-jährigen Forderungen in den Industrieländern bis auf eine, das Frauenwahlrecht, nach wie vor kaum erfüllt. In Länder wie Afghanistan gelten selbständige Frauen als eine Seltenheit und auch in Europa hat die Frau nicht immer die gleichen Bildungs-und Berufschancen. Die Zukunft wird entscheiden, ob die Frauen unter dem Vorzeichen einer globalisierten Welt genügend Engagement entwickeln, um ihre Interessen zu artikulieren. So müssen wir abwarten, ob in den nächsten Jahren der internationale Frauentag mehr Frauen auf die Straße lockt, damit der jahrzehntelange Kampf nicht umsonst war.