Zwei mal drei macht vier

Von unserer Redakteurin Maxine Metzger (25.11.2007)

Schon zu Lebzeiten war sie eine Legende: Astrid Lindgren. Fast jeder kennt ihre Geschichten, viele sind damit aufgewachsen. Kinder, Eltern, ja sogar Großeltern haben als Kinder und Jugendliche schon Bücher wie Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter oder Karlsson vom Dach gelesen. Doch wie steht es heute um ihre Geschichten, werden sie immer noch gelesen, oder gehören sie vielleicht schon zu dem verstaubten Kram auf dem Dachboden? Wir fragen nach…

 

Am besten fängt man bei unseren Kleinsten an, den Fünftklässlern des Goethe-Gymnasiums. Auf dem Flur erklären sich auch sofort einige Jungs aus der 5a bereit ein paar Fragen zu beantworten, doch als sie dann wissen, dass es um Astrid Lindgren geht, schwindet ihre Begeisterung. „Ach nein, dafür sind wir doch schon zu groß, so etwas lesen wir nicht mehr,“ geben sie zu verstehen, bevor sie wieder in ihren Klassenraum verschwinden. Die Geschichten von Astrid Lindgren sind ihnen einfach zu „uncool“. Sie lesen heut zu Tage lieber Science-Fiction oder Fantasy. Oder sie nutzen Medien wie das Fernsehen oder den Computer. Das ist natürlich viel bequemer als lesen. Denn wer will schon ein Mädchen, das ein Pferd hebt, wenn er einen Superhelden haben kann, der die Welt vor dem Untergang bewahrt, indem er ein paar hundert Aliens ins All zurück befördert?

 

Schülerinnen der Klasse 5c lieben Pippi Langstrumpf

 

Drei Mädchen aus der 5d können dem jedoch keines Falls zustimmen. Angelika, Nina und Kristina finden, dass Lindgrens Geschichten zeitlos sind und außerdem für jedes Alter geeignet. Sie würden die Bücher der schwedischen Bestsellerautorin auch heute noch lesen.

Auch Anna-Lena, die die 5c des Goethe-Gymnasiums besucht, wurde von den abwechslungsreichen Erzählungen der Schriftstellerin geprägt. Sie berichtet zum Beispiel davon, wie sie sich als kleines Kind immer die Nase an der Autoscheibe platt gedrückt hat, wenn sie an einem bunten Haus vorbei fuhr und rief:“Guck mal Mama, da wohnt Pippi!“

 

Mara aus der 10b möchte die Geschichten auch gern noch einmal lesen. Jedoch würde sie das nicht auf die gleiche Weise tun wie früher. Sie würde die alten Bücher nur wieder rausholen um mal wieder in ihren Kindheitserinnerungen zu schwelgen. Dem können auch Bianca und Sarah aus der 10d nur zustimmen. Sie sind begeistert vom fantasievollen Schreibstil Lindgrens. „Pippi Langstrumpf ist der Knüller,“ schwärmt Sarah. Laura, ebenfalls aus dem zehnten Jahrgang, bedauert, dass ihre Mutter die Bücherkisten schon auf den Dachboden geräumt hat. „Sonst würde ich sie ganz bestimmt noch lesen,“ erläutert sie.

 

Zwar machen beim Mathematiklehrer Herrn Koch zwei mal drei immer noch sechs, doch auch er hätte die abwechslungsreichen Abenteuer von Astrid Lindgrens Charakteren gerne gelesen. „Wir im Osten durften das nicht lesen. Das war nicht erlaubt. Aber ich und meine Freunde haben uns heimlich auf dem Dachboden die Pippi Langstrumpf-Filme angesehen. Da haben wir unterm Dach eine Antenne aufgestellt, damit man von außen nicht sieht, dass sie in die falsche Richtung ausgerichtet ist, denn in Ostdeutschland lief so etwas nicht, und dann ging‘s los.“

 

 

 
„Pippi Langstrumpf ist der Knüller“  

Aber was ist das Erfolgsgeheimnis? Was machte die Bücher von Astrid Lindgren, der Frau aus dem kleinen schwedischen Dorf, zur Weltliteratur? Nun, eine wirklich befriedigende Antwort ist darauf wohl nicht zu geben, dennoch gibt es klare Merkmale, die Lindgrens Erzählweise auszeichnen. „Ihre Geschichten wirken einfach so realistisch und direkt aus dem Leben gegriffen, trotz fliegender Kinder, Piraten und Mädchen mit Superkräften. das macht sie so unglaublich schön,“ versucht Laura aus der Klasse 10c das Phänomen zu erklären.

 

Herr Scheer, Lehrer am Goethe-Gymnasium, will die „heile Welt, fern ab von allen Großstadt-Gettos“ für Lindgrens Erfolg verantwortlich machen. Denn Action und Gewalt gibt es im Fernsehen schon genug. Da wird Astrid Lindgrens Einladung zum Träumen doch immer gerne angenommen. „Die Geschichten sind fantasievoll, lustig, spannend und nachvollziehbar. Da ist für jeden etwas dabei, für Jung genauso wie für Alt,“ stellt Herr Koch fest. Jaqueline aus der 10d fügt hinzu, dass viele Kinder die Figuren aus Lindgrens Geschichten als Vorbilder sehen. Dann will man „so ein Pferd wie Pippi“ oder will „fliegen können so wie Karlsson“.

 

 

Astrid Lindgren schrieb Geschichten, die Menschen bewegten

 

Viele Ansätze, doch kein einfaches Erfolgsrezept. Fakt ist nur, das Astrid Lindgren es geschafft hat, Generationen zu verbinden, millionen Menschen zu begeistern und mit ihren Geschichten zu berühren. So hat sie in 94 Jahren mehr als 70 wunderbare Bücher geschrieben und gelernt wie seltsam das Leben doch ist: „Es ist so verschwindend kurz wie ein einziger Tag und dauert doch so elend lange.“