All inclusive

Der Bundestag ist in großem Aufruhr. Christian Wulff ist seit kurzem nicht mehr Bundespräsident von Deutschland und nun muss ein würdiger Nachfolger sein Amt antreten. Seit letztem Samstag ist klar, dass Joachim Gauck der neue Bundespräsident ist. Die Tatsache, dass Gauck bei vielen Parteien auf Zuspruch trifft, kommt nicht von ungefähr. Gauck wird oft liebevoll das „all-inlcusive Paket“ genannt, denn Gauck gehört keiner Partei an und sagt von sich selbst, er sei liberal, konservativ und links zugleich. Auf der einen Seite würdigt Gauck die Freiheit, die für seine liberale Einstellung spricht. Auf der anderen Seite ist er ein religiöser Mensch und legt Wert auf traditionelle Werte und Normen. Des Weiteren legt er Wert auf Menschenrechtsthemen. Frauke Schrader aus der neunten Klasse ist der Meinung, dass genau diese Vielfältigkeit Gaucks Weg zum Erfolg ist: „Ich finde es gut, dass Gauck keiner Partei angehört, und somit keine Parteiinteressen verfolgt, sondern wirklich seine persönlichen Interessen preisgibt. Genau das ist sein Erfolgsrezept.“ Diese parteiübergreifende Einstellung lässt sich auf seinen früheren Lebenslauf zurückführen.

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Ein perfekter Pfarrer gleich ein perfekter Bundespräsident ?

 

Freiheit

Gauck wuchs in der DDR auf. Im Jahr 1951 wurde seine Vater unter einem Vorwand von der Familie weggebracht und von Russen als angeblich französischen Agent enttarnt. Gauck Junior wurde nach der Inhaftierung zum Familienoberhaupt gekürt, und das mit nur elf Jahren. Er nahm seine Pflichten mit Verantwortungsbewusstsein an. In der Zeit der Ungewissheit entwickelte sich Gauck zum Antikommunisten. Diese Einstellung bestätigte sich bei ihm täglich bei seinen Besuchen der Schule, die von „beschränkten Lehrern“ (Zitat Gaucks gegenüber Norbert Robers, Biograph Gaucks) geführt wurde, da die Lehrer als staatliche Repräsentanten den Kommunismus zu preisen hatten. Schon damals begann Gauck mit Hilfe der Literatur Schillers, einen Freiheitsgedanken zu entwickeln. Joachim Gauck wählte folgende Worte, um Norbert Robers seine damalige Einschätzung zu verdeutlichen: „ Ich dachte immer: Wieso sollen wir eigentlich gehen? Schließlich war ich doch hier zu Hause. Eines Tages würden die Russen als die unerwünschten Eroberer, davon war ich überzeugt, wieder verschwinden.“ Im Vergleich zu vielen anderen DDR-Bürgern, die der DDR möglichst schnell den Rücken zuwenden wollten, wollte Gauck in seiner Heimat verweilen. Um „frei“ zu werden, sah Gauck nur eine Möglichkeit, und das war der Rückzug der Russen.

 Glaube

Da dies rund zehn Jahre vor dem Mauerfall jedoch nicht in Sicht schien, sah Gauck seine Berufung als Pastor in der DDR. Die Beziehung der Kirche zum Staat war zu dieser Zeit jedoch schwierig, da die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) deren Einfluss zu minimieren versuchte. Obwohl die Verfassung der DDR aus dem Jahr 1949 das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit garantierte, wurden einige gläubige Bürger auf Grund ihrer Konfession benachteiligt. Als einzige Organisation hatte die Kirche meinungsbildende Möglichkeiten, wie beispielsweise die Publikationen von kritischen Artikeln bezüglich des Staatssystems. Die Kirche hatte somit Macht, und dessen war sich Gauck durchaus bewusst provozierte, um die Augen der Bürger zu öffnen. Obwohl Gauck, nach eigenen Angaben, die IM (inoffizielle Stasi-Mitarbeiter) oft sogar beschimpft habe, hatte er sich Ende 1985 einen beträchtliche Freiraum erkämpft. Auch heute betont er oft noch, dass er sehr gläubig ist und ihm christlichen Werte und Normen von Wichtigkeit sind.

 

Partei-Liebling ?

Die Einstellung, dass Gauck viel Wert auf christliche Werte legt, würde theoretisch gut zu dem Parteiprogramm der CDU passen. Warum die CDU nach langwierigen Diskussionen letztlich doch für Gauck stimmte, bleibt ungewiss. Zwar gibt es einige Erklärungsversuche der CDU, jedoch sind diese sehr allgemein gehalten. Bundesumweltminister Röttgen von der CDU sagt beispielsweise nur: „Er hat hier wirklich Eindruck gemacht“, ohne seine Äußerung näher zu erläutern.

Auch die FDP stimmt mit Gaucks Meinung in einigen Punkten überein, da dieser bekannt für seine Leitidee der Freiheit ist. „… er wird helfen, diese Kluft zwischen Bevölkerung und den Institutionen der Demokratie und den Parteien auch wieder zu schließen…“, so Sigmar Gabriel auf der Pressekonferenz am 19.02.12 über den Bundespräsidenten-Anwärter Joachim Gauck. Gauck soll also die Politikverdrossenheit wieder aufheben und verlorengegangenes Vertrauen wiederherstellen. Er stellt somit die Nähe zwischen Politik und dem Volk her, die der ehemals bekannten „Arbeiterpartei“ sehr wichtig ist. Somit ist nicht nur der Parteivorsitzende der SPD Gabriel glücklich mit der Wahl Gaucks als neuen Bundespräsidenten.

Jedoch ist nicht jede Partei so gut auf Gauck zu sprechen wie die SPD oder die FDP. Die Grünen kritisieren Gauck vor allem wegen seiner Stellungnahme zu Thilo Sarrazins Buch: „Deutschland schafft sich ab“. Gauck sprach bei einem Interview von dem „Mut“ Sarrazins und begründete dies mit den Worten: „Politiker haben die Pflicht, ihre Positionen in aller Klarheit zu vertreten“

An unserer Schule trifft Gauck jedoch auf viel Zuspruch. Eine Schülerin aus der Qualifikationsphase spricht Gauck beispielsweise eine Erfolgsbilanz durch sein forgeschrittenes Alter zu: „Meiner Meinung nach ist Joachim Gauck gut für die Position als Bundespräsident geeignet. Ich finde, dass er durch sein fortgeschrittenes Alter schon sehr viele Erfahrungen gesammelt hat und dadurch genau weiß, wann er was zu tun hat, damit ihm kein schwerwiegender Fehler unterläuft. Denn noch ein Rücktritt eines Bundespräsidenten wäre fatal.“

 

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MUSS eine Familie so aussehen ?
Eher unwichtig erscheint mir persönlich jedoch die Diskussion um seine Freundin, die noch nicht seine Ehefrau ist. Hat der Familienstand eines Bundespräsidenten wirklich mit der Kompetenz zu tun? Wiebke Röhl aus der Qualifikationsphase hat keine Kritik an Gauck, sondern an der Presse: „Ich finde Gauk als neuen Bundespräsidenten recht gut, jedoch ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis die Presse auch ihn aus seinem Amt vertreibt. Schließlich ist er noch verheiratet, hat aber schon eine neue Freundin. Meiner Meinung nach ein gefundenes Fressen für die Presse.“

 Im Lauf seiner Geschichte hat Joachim Gauck immer wieder bewiesen, dass er für seine Überzeugung einsteht und sich nicht unterkriegen lässt. Daher denke ich, dass sich Gauck auch im Bundestag nicht so leicht herunterkriegen lässt !

 

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