Mehr ist mehr!

Aus der Redaktion
Darf’s auch etwas mehr sein? Diese Frage kennt jeder Nicht-Vegetarier vom Schlachter und entscheidet sich meistens ohne ausschweifendes Nachdenken für ein eindeutiges Ja. Der Fleischereifachverkäuferin ist das recht – nicht alle haben das Adlerauge zum Wurstscheibenabschätzen, wie eine Supermarktkette uns via Werbung glauben machen will – und der Kunde geht glücklich mit seinem erworbenen und etwas größer geratenen Wurststapel nach Hause. Neuerdings hat auch das Kultusministerium, von Fans liebevoll „KuMi“ genannt, die Darf’s-auch-etwas-mehr-sein-Strategie für sich entdeckt.

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Viele Weihnachtsmänner sorgen für eine schöööne Bescherung

Der kritische Zeitgenosse fragt sich natürlich sofort, wo es in der Schule ein Mehr geben kann, für das man aber auch nur geringfügig mehr lockermachen muss. Aber selbst der Ausdauerndste scheitert hier kläglich. Kein Wunder, denn die Lösung liegt zu nah und ist so banal, dass man wohl vor Scham erröten müsste, wenn man nach stundenlangem Überlegen mit Stolz das Ergebnis herausposaunen würde: Es sind bald Wahlen in unserem Hessenland, und deshalb bekommen wir ein Geschenk von oberster Stelle: Wir dürfen unser G9 wiederhaben, von dem wir uns, gefühlt, gerade eben erst getrennt haben! Wie haben wir alle geweint, als die Landesregierung G9 plötzlich als Auslaufmodell abgestempelt hat! Fassungslosigkeit, so weit das Auge reichte. Schüler, Eltern, Lehrer, Orientierungslosigkeit. Nach kurzer Schockstarre aber erwachte wieder das Macher-Gen: Packen wir’s an! Aus Jahrgang 11 wird die E-Phase, es wird der erste und vielleicht für immer einzige Doppeljahrgang gebildet (Abitur 2013), Eltern und Schüler entwickeln sich zu klugen Strategen: „Abitur 2013? Eigentlich lieber ein Jahr später, dann ist das liebe Kleine noch ein Jahr reifer und muss nicht mit auf den Arbeitsmarkt und an die Unis Schwemmenden konkurrieren.

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Mami, gab’s dieses G8 wirklich?
Alles läuft, zwar etwas anders, aber Gewohnheitstier Mensch bekommt das formvollendet hin und G8 ist auf dem besten Wege, Geschichte zu werden. Mami, gab’s dieses G8 wirklich?“Kind, früher konnte man schon nach 12 Jahren Abitur gemacht, da war alles besser!“ Wir hassen Geschichten von früher, und in einer abwechslungsreichen (Schul)Welt ist Stillstand ja bekanntlich der Tod (was nur im Reform-Bereich, nicht aber z.B. für die Ausstattung der Gebäude gilt), weshalb wir ob der neuerlichen Erschütterung frohlocken: endlich wieder Diskussionsstoff auf den Gängen, in den Konferenzen und Zuhause. Traurig nur, dass das Diskutieren so wenig Grundlage hat, denn niemand kann abschließend prüfen, ob und inwiefern G8 gut, sinnvoll oder schülerschädigend ist. Egal, nach der Reform ist vor der Reform, und so geht es einfach hamstermäßig weiter. Und diesmal ist es auch ein bisschen anders, denn es darf tatsächlich etwas mehr sein und das Sortiment ist auch noch erweitert worden. Also sprach das KuMi: „Ihr dürft euch etwas aussuchen: G8 oder G9? Oder lieber eine freche und spritzige Mischung aus beidem? Wichtig ist, dass der für die Bestellung zu formulierende Antrag überzeugt.“ Ach ja: Und zur Wahl gehen sollte auch jeder, denn eine jede Landesregierung muss, unterstützt von einer breiten Wählerschaft, die Gelegenheit haben, sich ein Vier-Jahres-Denkmal zu setzen.