Faustisches Entrücken

Am 14. und 15. Februar stellten die Kurse „Darstellendes Spiel“ (DS) des Jahrgangs 13 gemeinsam ihre neuen Stücke vor. Unter der Leitung von Frau Stanko und Herrn Lück hatten die Schüler aus klassischer Literatur individuelle und moderne Theaterstücke entwickelt. Zwei Vorführungen an einem Abend hatte es an unserer Schule noch nie gegeben.

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Zwei in einem!

Schon Johann Wolfgang von Goethe schrieb in seinem Werk „Faust“: „Falsch Gebild und Wort verändern Sinn und Ort.“ Dies machte der DS-Kurs von Frau Stanko zum Motto für die aktuelle Produktion und interpretierte den ersten Teil von Goethes Faust auf eigene Weise. Unter modernen Gesichtspunkten wie Alkoholmissbrauch, Abtreibung oder Missbrauch in der Kirche entstand so ein vollkommen neues Stück.

Zunächst wurde der Alkoholmissbrauch thematisiert. Spielend schafften es die Schauspieler, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. In der Schülerinterpretation von Faust stellten sie dar, wieso Jugendliche anfangen zu trinken, beispielsweise aus Liebeskummer. Zur Untermalung liefen im Hintergrund zum Thema passende und in Eigenregie produzierte Videos.Anschließend stand die Abtreibung im Mittelpunkt: ein fiktionales Gespräch zwischen einer Mutter, die sich entschieden hat, ihr Kind abzutreiben, und ihrem ungewollten Kind. Die Schuldgefühle der Mutter mischten sich mit der Anklage, dass sie eine Mörderin sei.

Im letzten Teil des Stückes griffen die Schüler die vielen bekannten Fälle von Missbrauch in Kirchengemeinden auf. Ein Pastor fragt sich, ob an diesem Abend wieder ein so hübscher Junge zu ihm finden wird, den er sich gefügig machen kann. Allerdings bittet er vorher noch kurz um den Segen Gottes.

 

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Das Casting sprengt Freundschaften…
Auch der Kurs von Herrn Lück zeigte eine tolle Leistung. Mit dem Stück „Entrückt“ setzten sich die Laienschauspieler mit der Komödie „Leonce und Lena“ von Georg Büchner auseinander und es entstand ein abenteuerliches Stück: Nach einem Thailandurlaub leben die erkrankten Urlauber in Quarantäne und werden so zu Darstellern in einer Casting-Show. In der Fernsehsendung kann das Publikum der Entwicklung der verschiedenen Charaktere über die nächsten vier Wochen folgen.

„Auch wenn es eigentlich ein ernstes Thema war, haben die Schauspieler es durch witzige Dialoge belebt“, beschreibt Lara Kiehlmann, Schülerin der Q2, ihre Eindrücke. Zum Schluss kann doch noch ein Serum für die Infizierten hergestellt werden. Allerdings nur in so kleinen Mengen, dass nicht alle Kandidaten davon profitieren können.

Durch eine Einzelmeinung aus dem Publikum und später durch eine Gruppenabstimmung der Zuschauer werden zwei Personen von der Verabreichung des Medikaments ausgeschlossen.

Da die Spritzen jedoch nach einer Tanzeinlage der behandelnden Ärztin zerbrechen, kann doch keiner geheilt werden.

Dieses Stück bringt vor allem zum Ausdruck, wie weit das Fernsehen inzwischen für eine gute Show geht. Auch oder gerade weil die Situation überspitzt, stellt sich die Frage, ob es so etwas in unserer von den Medien stark geprägten Welt nicht schon bald geben wird.

Am Ende betonte Herr Lück, dass sich rund zwei Drittel der Schauspieler im Abitur in Darstellendem Spiel prüfen lassen werden. Auch Frau Stanko war von dem Auftritt ihrer Schützlinge sehr angetan. Dem Publikum scheint es ähnlich ergangen zu sein. Der energische Applaus nach den Vorführungen war dafür der beste Beweis!